KULTURENTWICKLUNGSPLAN LINZ 
Linz entwickelt Kultur nach PLAN
 

Die Stadt Linz ist dabei, einen Kulturentwicklungsplan (infolge KEP genannt) zu erarbeiten, der die Leitlinien der städtischen Kulturpolitik für die nächsten 10 - 15 Jahre festlegen soll. Derzeit liegt ein 92seitiger Grundlagenentwurf vor, der zur Diskussion steht. Dieser erste Plan, eine erste Skizze, in der noch vieles nicht angesprochen, bzw widersprüchlich ist. Laut Kulturdirektor Siegbert Janko steht noch offen, was in diesem Plan schließlich niedergeschrieben wird und der Politik zur Vorlage kommt. Der KEP ist für alle Interessierten beim Kulturamt erhältlich und auch im WEB zu finden unter: www.linz.at/ku-bi/indexf.htm

Wir haben uns in der freien Szene umgehört, verschiedenste Positionen zum KEP zusammengetragen und auf den folgenden Seiten veröffentlicht. 

Ausgangslage ist, daß die Stadt ihr kulturelles Programm und ihre Einrichtungen auf Tauglichkeit und künftige Wirkungen hin überprüft. Jetzt, nachdem Teile der Industrie in Linz niedergegangen sind, und Linz von der Industriestadt zu einer Kulturstadt mutieren soll, um im europäischen Wettkampf einen attraktiven Wirtschaftsstandort abzugeben, ist die Stadt gezwungen, ihre kulturelle Ausrichtung zu ändern.

Die daraus resultierende Fragestellung ist: wie kann der Kulturbegriff der 70er Jahre "Kultur für alle", der sich in allen Belangen in der Stadt gefestigt hat, vom Volkshaus bis zur Volkshochschule, vom Stadtmuseum bis zur Neuen Galerie, vom Posthof bis zum Brucknerhaus, bis zu Einrichtungen der freien Szene, wie Kapu, Stadtwerkstatt und Phönix, eine neue Ausrichtung erhalten? Nun strebt Linz im Zuge des Wandels der Stadt und des Wandels der Gesellschaft hin zur Globalisierung danach, sich als Kulturstadt zu plazieren. Die Kultur bekommt eine neue Aufgabe, sie dient nicht mehr nur als Ausgleich und Unterhaltung der städtischen Bevölkerung, sondern sie muß für ein neues Image herhalten: Attraktiv nach außen zu wirken. 

Wie nun diese Attraktivität gehoben werden soll, bleibt bis dato unklar. Ein Trend zeichnet sich allerdings ab: nachdem Linz mit klassischer bürgerlicher Kultur - es fehlt hier an Tradition -, im Kultur-Städtewettbewerb ohne enormen finanziellen Aufwand schwerlich mithalten kann, wird ein anderer Weg gewählt: man setzt auf Technologie und die freie Szene. Praktisch manifestiert sich das durch den Europäischen Kulturmonat, in dem neben dem Brucknerfestival "MUSIK IM PULS" und dem Ars Electronica Festival "InfoWar" vornehmlich die heimische freie Szene das Programm bestritten hat. 

Man kann durchaus von einem kulturhistorischen Wendepunkt in der Stadt sprechen, da sich Linz erstmals in einer internationalen Präsentation, dem Europäischen Kulturmonat, vornehmlich auf die eigenschöpferischen Kräfte stützt. Selbst die Klangwolke wurde von 2 Linzern komponiert und realisiert. 

Was dabei an praktischer Umsetzung und organisatorischer Leistung von den einzelnen Künstlern ohne bestehende Strukturen aufgebracht wurde, ist enorm. Lediglich Stadtwerkstatt, Phönix, zum Teil Time`s Up, konnten dies mit Unterstützung ihrer Einrichtungen leisten. Denkt man an das vielseitige Know How, das die Künstler für die Realisierung dieser Projekte im …ffentlichen Raum aufbringen müssen, ist es erstaunlich, wie reibungslos dieses Kulturereignis vom Stapel läuft, zumal diese Projekte selbst als Veranstalter auftreten mußten. Um zu verdeutlichen: man stelle sich eine Landestheaterproduktion ohne Haus, Ressourcen, Logistik und Werkstätten vor.

Wenn Linz also in Zukunft auf die eigene Kreativität setzt, wird es notwendig sein, †berlegungen anzustellen, wie dieses Potential einerseits künftighin mit Aufträge vorsorgt wird, und wie die strukturellen Voraussetzungen verbessert werden, um solche Produktionen gewährleisten zu können. Alleine einen kleinen Mitarbeiterstab vorübergehend ordnungsgemäß zu beschäftigen, ist in …sterreich ein kleines Kunststück. Andererseits: wie kann die Szene außerhalb der vorgegebenen Leitlinien eigenständig und unabhängig Ideen und Vorhaben entwickeln? Die Szene braucht Freiraum als "Humus", auf dem Neues wachsen kann.

Die Geschichte hat gezeigt, daß Freiräume, die durch die unabhängigen Kulturstätten organisiert waren, eine strukturelle Plattform erhielten, Platz gaben zur Entfaltung vielseitiger künstlerischer und musikalischer Aktivitäten in Linz. Diese Freiräume waren dymanischer und wirksamer als das offizielle Modell Posthof, dessen Errichtung mit dem Auftrag, die lokale Szene zu fördern, legitimiert wurde. 

Die freien Kulturstätten der 80er Jahre können nicht mehr ausschließlicher Ansatz sein, Freiräume und neue Entwicklungen im angehenden 3. Jahrtausend zu ermöglichen. Nur ein gewisses Maß an infrastruktureller Voraussetzung, d.h. diverse selbstverwaltete Produktionseinheiten, wird in Zukunft entwicklerische Akzente setzen. Auf dem Weg dorthin bewegen sich Künstlergruppen wie z.B. Time«s Up oder die Fabrikanten. Nur das Zulassen und Fördern von Initiative, Struktur, Freiraum und Denkprozessen garantieren freie Entfaltung künstlerischen Schaffens. Dieser Weg führt weg vom Zentrumsgedanken - alles wird in einem Haus präsentiert - zur Schaffung vieler Dezentralen. 

Das demonstriert auch das Internet, das, weltweit vernetzt über viele dezentrale Rechner, den Benützern sowohl zu empfangen als auch zu senden ermöglicht. Dieses Netzwerk spiegelt deutlich eine kulturelle Entwicklung, in der sich viele klassische Kulturpositionen verschieben. Der Benützer kann weltweit operieren und auf die virtuelle Bühne treten. Die Bühne und der öffentliche Raum verlagern sich in die Privatheit der Wohnung. Parallelen finden sich auch in der städtischen Kulturentwicklung. Auch dort verlagert sich die Bühne zunehmend aus den klassischen Zentren, Präsentationsstätten in den öffentlichen Raum. Bühne und Publikumsbereich verschmelzen auf einer Ebene, und nicht selten wird das Publikum zum Akteur. Sowohl Bühne als auch Zentrum, Akteure und Publikum befinden sich in einem Auflösungsprozeß. Kunstwerke werden zu Kommunikationsanleitungen. Ein Begriff wie "Kultur für alle" verwandelt sich in "Kultur von allen".

Wenn der KEP in Linz die Kultur entwickeln soll, muß er sich zuerst den kulturellen Wandel vergegenwärtigen. Den neuen Anforderungen ist dann mit den bestehenden und neu zu schaffenden Strukturen und Maßnahmen zu entsprechen.

"in den 80ern stand das schaffen von zentren im vordergrund. die bühne war der freiraum & der freiraum die bühne. in den 90ern drängen sich dezentralen auf, das bedeutet das schaffen von knotenpunkten einer kommunikativen skulptur. die bühne erscheint überall, sie ist schnittstelle zum dialog."
(aus "Tätigkeiten 1991 - 1992", Stadtwerkstatt)

http://www.servus.at/VERSORGER/46/kultur1.html