Interview zum Thema "Stadtteilkultur, insbes. in Dornach-Auhof

Interviewer: Mag. Stefan Giegler, Mitglied des Gemeinderats der Stadt Linz;
Interviewter: Univ.-Prof Dr. Ingo Mörth, Johannes Kepler Universität Linz

(Interview geführt am 5. November 2007, 13-14 h, an der JKU Linz;
überarbeitete, "geglättete" und autoristierte Transkription des Gesprächstextes).

 

GR Giegler:

Vorweg bitte ich um einige kurze Anmerkungen zur Deiner Person (vor allem zum kulturellen Tätigkeitsbereich und Deinem Bezug zum Thema "Stadtteilkultur").

Univ.-Prof. Mörth:

Ich bin Kultursoziologe und Kulturforscher und Vorstand des Instituts für Kulturwirtschaft und Kulturforschung der Johannes Kepler Universität Linz. Ich bin Initiator des Projektes "Kulturhauptstadtteil des Monats" im Rahmen von Linz 09 und ich habe soeben als Vorbereitung eine Studie zu den Linzer "Kulturstadtteilen" abgeschlossen.

Ich bin darüber hinaus seit 1979 Bewohner des Stadtteils Dornach-Auhof.

(Autorisierung I.M. zur Transformation in die Dritte Person = Univ.-Prof. Mörth ist ...).

 

GR Giegler:

Der Begriff "Stadtteilkultur" wird oft verwendet. Was kann man darunter verstehen bzw. woran erkennt man, dass ein Stadtteil "Kultur hat"?

Univ.-Prof. Mörth:

Kultur muss hier in einem sehr breiten Sinn und nicht nur als "Kunst" oder "Kulturveranstaltung" verstanden werden. Kultur ist letztlich jede Form der Gestaltung des Lebens, von den Vorstellungen, Zielen und Werten, die Menschen für ihre Lebensführung haben, bis zu den infrastrukturellen Rahmenbedingungen, an die das Alltagsleben geknüpft ist. Dies sind Architektur und Ambiente, Beiseln, Geschäfte, Treffpunkte und Angebote, Feiern und Feste, und vieles mehr.

Auch die sozialen Gruppen, Vereine, Einrichtungen und Organisationen, die an diesem "Leben im Stadtteil" beteiligt sind und es mitgestalten (Religion, Bildung, Sport, Geselligkeit, auch politische Organisationen), gehören dazu. Die öffentlich-städtische Infrastruktur ist ebenfalls wichtig, wie Kindergärten und Jugendtreffs, Seniorenzentren und VHS-Zweigstellen …

Stadtteilkultur ist daher etwas, was jeder Stadtteil als abgrenzbarer Bereich einer Stadt jedenfalls hat. Es geht darum, herauszufinden, welche besondere Ausprägung die Kultur eines Stadtteiles besitzt. Hier gehört auch ein Blick auf Geschichte und Identität, auf lokale Traditionen und deren Sichtbarkeit.

Wichtig ist auch, ob ein Stadtteil lokale Zentren hat, wo sich dieses allgemeine soziokulturelle Leben fokussieren und auch präsentieren kann. Dann kann man von "lebendigen Kulturstadtteilen" sprechen, die jenes Maß an Eigenständigkeit haben oder entwickeln, das den Stadtteil als für seine BewohnerInnen nicht nur als Wohnplatz, sondern als Heimat bedeutsam macht.

 

GR Giegler:

Dornach-Auhof ist im Vergleich zu anderen Linzer Stadtteilen ein relativ junger Stadtteil. Besitzt Dornach-Auhof kulturelles Potential?

Univ.-Prof. Mörth:

So "jung" ist Dornach-Auhof auch wieder nicht. Es gibt eine Vorgeschichte rund um die alte Herrschaft Auhof und als Teil der einst selbstständigen Gemeinde St. Magdalena, die erst 1938 zu Linz eingemeindet wurde. Hier gibt es Traditionen und alte Verbindungen, auch rund um die alten Weiler, wie das alte Dornach selber, wie Furth oder Katzbach, die tw. immer noch Treffpunkt-Funktion haben.

Klarerweise hat die Hauptentwicklung zur heutigen Gestalt erst nach dem 2. Weltkrieg bzw. nach dem Ende der russischen Besatzungszone eingesetzt. Die Entwicklung verlief auch lange relativ ungeplant, was den Stadtteil insgesamt betraf: Wohnbauprojekte entstanden nach und nach, wie eben Grundstücke verfügbar wurden.

Die Universität und das Bundesschulzentrum waren Investitionen, die weit über den Stadtteil hinaus Bedeutung hatten und haben, und dazu kamen Versorgungen mit lokaler Infrastruktur, wie Pfarrzentrum und Volkshaus, Geschäfte, Supermärkte und Gastronomie.

Alles in allem haben wir in unserem Stadtteil eine sehr vitale Mischung aus einer relativ jungen Wohnbevölkerung, mit aktiven Organisationen und Vereinen aus allen Bereichen, mit Volkshaus und Pfarre als lokale Treffpunkte einerseits sowie mit der Universität als auch vor Ort bedeutsame Großeinrichtung (so sind z.B. die Mensafeste auch für die ganze Jugend im Stadtteil ein Magnet). Das kulturelle Potenzial ist beachtlich, wenn auch frühere Versuche der kulturellen Stadtteilbelebung ein wenig an Schwung verloren haben. Linz 09 kann gerade für Dornach-Auhof ein Impuls zu neuer Kulturblüte werden.

 

GR Giegler:

Im Kulturhauptstadtjahr 2009 soll jeder Stadtteil ein Monat lang im kulturellen Rampenlicht stehen. Wie könnten die Perspektiven für Dornach-Auhof aussehen?

Univ.-Prof. Mörth:

Mit Universität und Bundesschulzentrum ist Dornach-Auhof ein Linzer Bildungsviertel schlechthin, was sich jedoch wegen des tw. fehlenden urbanen Ambientes und wegen des Ein- und Auspendelns der StudentInnen und Schüler nicht in einem entsprechenden Flair niederschlägt, das andere Universitätsstandorte auszeichnet.

Hier wäre ein guter grundsätzlicher Ansatzpunkt: Dornach-Auhof inszeniert sich selbst als "Universitäts- und Bildungsviertel", mit Nutzung aller möglichen Treffpunkte und öffentlichen Räume als Orte der Begegnung von BewohnerInnen und Lehrenden wie Lernenden, als Orte des gemeinsamen Feierns und des gemeinsamen Lernens, der gemeinsamen Veranstaltungen und der gemeinsamen Kultur.

Als "Kulturhauptstadtteil des Monats" sollte der Stadtteil mit seinem Programm und seinem besonderen Angebot auch für BewohnerInnen von Linz und für BesucherInnen aus aller Welt interessant sein.

Hier ist jedenfalls die JKU-Universität gefragt, sich stark in ein nach außen orientiertes Programm einzubringen, mit "open university"-Angeboten, mit einer besonderen sog. "Science Week 09", mit Angeboten zur Nutzung der internationalen und interkulturellen Vernetzung der JKU, etc.

Auch die Linzer International School (LISA) mit ihren Schwerpunkten und "connections", und die HLA Auhof mit dem Studienzweig Kulturtourismus könnten sich hier erfolgreich einbringen.

Schließlich sollten die bestehenden Veranstaltungsorte (Volkshaus, Galerie an der Universität, Mensa der JKU …) mit attraktiven Kulturveranstaltungen "bespielt" werden, die auch Kulturhauptstadt-Touristen nach Dornach-Auhof locken können.

Dabei können und müssen alle im Stadtteil und rund um die Universität aktiven Kulturträger einbezogen werden (vom Kulturreferat der Hochschülerschaft der JKU, über die studentischen Fraktionen, das Kulturinstitut an der JKU, die kathol. & evang. Hochschulgemeinden, und last not least die lokalen Kulturvereine).

 

GR Giegler:

Ich danke für das Gespräch.

 

(Autorisierung dieser Transkription durch Dr. Mörth am 7. November 2007)

 

veröffentlicht in leicht gekürzter Fassung in: Stadtteilblatt Dornach-Auhof (Linz, SPÖ-Sektion Dornach-Auhof), 1. Ausgabe Februar/März 2008, S. 2.