Weiterbildung ist eine Chance und keine „gefährliche Drohung“

von Robert Stammler

Während sich mehr als drei Fünftel der Akademiker nach dem Studium aktiv weiterbilden, tut dies nicht einmal ein Achtel der Arbeitnehmer mit Pflichtschulabschluss. Grund: Viele der 230.000 sogenannten „Niedrigqualifizierten“ in OÖ. haben schlechte Erfahrungen in der Schule gemacht.

Was sind „Niedrigqualifizierte“ eigentlich? „Dahinter steht die Vorstellung, dass selbst bei bester Gestaltung der Pflichtschulzeit die dort erworbenen Kompetenzen nicht mehr alleine ausreichen, um in der modernen Wissens- und Leistungsgesellschaft die berufliche und private Lebensführung erfolgreich zu gestalten“, sagt Ingo Mörth, Professor für Soziologie an der Johannes Kepler Universität, der eine Studie über die „Weiterbildungsfreudigkeit“ der Oberösterreicher verfasst hat.

„Niedrigqualifizierte“ stellen ein enormes Potenzal für Anbieter in der Weiterbildung dar. Immerhin zählen allein in Oberösterreich 230.000 Personen – ein Viertel der Bevölkerung – zu dieser Gruppe: „Etwa 80.000 davon wären für die Weiterbildung zu gewinnen“, schätzt Ingo Mörth, Professor für Soziologie an der Johannes Kepler Universität. Unterschieden nach Alter, Geschlecht und Herkunft lasse sich für die Gruppe der „Niedrigqualifizierten“ folgende Aussagen treffen, so Mörth. 62 Prozent der Niedrigqualifizierten sind Frauen. Der Anteil der Generation 50 Plus liegt bei 57 Prozent. 54 Prozent der „Niedrigqualifizierten“ kommt aus dem ländlichen Raum.

„Die allenfalls vorhandene Weiterbildungsbereitschaft der Generation 50 Plus wird vor allem durch mangelnde Umsetzbarkeit am Arbeitsplatz noch zusätzlich frustriert“, sagt Mörth. Dazu ins Bild passe, dass zurückliegende Weiterbildungskurse bei den niedrigqualifizierten Über-50-Jährigen im Schnitt 20 Jahre zurückliegen. Zum Vergleich: Bei Uni-Absolventen liege die letzte Weiterbildungsmaßnahme im Schnitt zwischen vier bis sieben Jahren zurück.

Als Grundregel gilt für Mörth: Je höher die Schulbildung, desto eher werden Fortbildungskurse in Anspruch genommen.

Motivation ist der Schlüssel zur Kursteilnahme, denn allein die Information über das Angebot reicht nicht aus. Besonders bildungsfernen Schichten informieren sich zwar stärker durch verschiedene Medien über das Weiterbildungsangebot, das allein bewirkt aber keinen Einstieg. Anders bei den Bildungsteilnehmern, die sich überwiegend durch Bekannte und Freunde über Angebote informieren. Diese Mundpropaganda, die bei den Bildungsfernen fehlt, motiviert die Bildungsteilnehmer am meisten zur Weiterschulung.

Entscheidend für die Motivation zur Weiterbildung sind auch die Entfernungen zwischen Wohnort und Fortbildungseinrichtung. Der Einstieg in die Fortbildung erfolgt, wenn das Angebot möglichst wohnnah ist – als durchschnittliche akzeptable Entfernung bei „Niedrigqualifizierten“, die aktiv sein wollen, gelten 13 Kilometer, so die Mörth-Studie. „Als maximale annehmbare Entfernung wird ein Radius von rund 60 Kilometern betrachtet“, sagt der Soziologe.
Auch hier der Unterschied zu Höherqualifizierten, die als maximale Entfernung für eine Weiterbildungsstätte im Schnitt 108 Kilometer als annehmbar betrachten.

Bildungsbarrieren ausräumen

Was sind die größten psychischen und sozialen Hürden für Niedrigqualifizierte, sich fortzubilden? „Die häufigste Antworten waren: Man kenne niemanden, man möchte sich nicht blamieren und man zweifelt am positiven Abschluss“, sagt der Soziologe.
An zweiter Stelle rangieren berufliche und private Belastungen bzw. der Arbeitgeber biete keine Möglichkeiten zur Weiterbildung. „Ein dritter wichtiger Faktor ist der negative Lerntransfer, sprich persönlich negative Erfahrungen in der Schule. Man will mit der Schule nichts mehr zu tun haben, man zweifelt am Nutzen von Bildung“, sagt der Soziologe. Eher am Ende rangieren dann materielle Barrieren wie Geld oder Alter.

Wo liegen nun für Niedrigqualifizierte attraktive Weiterbildungsfelder? „Top sind EDV- und Multimedia-Grundkenntnisse mit 24 Prozent“, sagt Mörth. Gefolgt von Sprachen (14,6 Prozent) und berufsbezogenen Kursen. Ebenso beliebt seien aber auch Kurse über Kochen und Ernährung und über kreative Freizeitbeschäftigungen.

Links: 
http://soziologie.soz.uni-linz.ac.at/sozthe/staff/moerthpub/WeiterbildungBuch.pdf
http://soziologie.soz.uni-linz.ac.at/sozthe/staff/moerthpub/WeiterbildungVortrag.pdf
.

© OÖNachrichten vom 02.03.2007 (eZine "Bildung 2007")