Totale Rauchverbote in der Gastronomie sind keine
Lösung -
Differenzierte Schutzmaßnahmen versprechen mehr Erfolg und Akzeptanz
von Ingo Mörth und Doris Baum
Dies ergab eine aktuelle Auswertung einer soziologischen Studie zur Theorie des Rauchens, die vor wenigen Jahren unter der Leitung von Prof. Ingo Mörth und Dr. Doris Baum am Institut für Soziologie der Linzer Uni (Forschungsbereich "Alltagssoziologie" an der Abteilung für Soziologische Theorie und Sozialanalysen) durchgeführt und aus gegebenem Anlass (Diskussion über Rauchverbote in Österreich) jetzt von der Projektleitung erneut analysiert wurde.
Bedeutsame Ergebnisse der Studie zum Rauchverhalten
Folgende Ergebnisse sprechen gemäß dieser Analyse gegen ein totales Rauchverbot und für eine bedingte und differenzierte Einschränkung des Rauchens (Basis: erneute Sichtung von einschlägigen Rauchverhaltensstudien und von damaligen Interviews):
RaucherInnen verspüren den stärksten Drang nach dem Essen (72%) und in geselliger Atmosphäre (71%). Rauchen verbindet sich auch besonders stark mit dem Konsum von Alkohol (71% der RaucherInnen), dazu rauchen 66% der weiblichen Raucherinnen und 58% der mänlichen Raucher besonders viel, wenn sie ein Gasthaus oder ein Café besuchen. All dies trifft nach wie vor für die Situation von RaucherInnen bei einem Gastronomiebesuch wesentlich zu. Nicht Rauchen zu können hält RaucherInnen demgemäß stark vom Gastronomiebesuch ab.
Geselligkeit ist ein zentrales Motiv für die Frequentierung von Gastronomiebetrieben. Auch NichtraucherInnen akzeptieren daher zumindest fallweise, dass für Geselligkeit mit RaucherInnen das Rauchen von Personen aus dem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis beim Lokalbesuch toleriert werden sollte (67% der NichtraucherInnen). In der Gastronomie fallweise aufgrund einer persönlichen Entscheidung passiv zu rauchen wird von NichtraucherInnen durchaus akzeptiert und auch mehrheitlich befürwortet (von 51% aller NichtraucherInnen).
Das Rauchverhalten wird jedoch hinsichtlich seines Gesundheitsrisikos und seiner Bedeutung für die soziale Umwelt von allen Gruppen (RaucherInnen, NichtraucherInnen, Öffentlichkeit) stark überlegt und entsprechend kritisch gesehen. Einschränkungen des Rauchens in öffentlichen Räumen und auch in Gastronomiebetrieben im Interesse betroffener NichtraucherInnen werden von 78% der NichtraucherInnen befürwortet und auch von einer Mehrheit der RaucherInnen (55%) zumindest akzeptiert. Eine Minderheit der RaucherInnen ist auch bereit, die Raucherlaubnis mit höheren Kosten zu erkaufen (41%).
Kampagnen gegen das Rauchen zeigen Wirkung. Selbst 66% der RaucherInnen meinen, dass Rauchen nicht mehr im sozialen Trend liegt, und dass daher Einschränkungen oder Zusatzkosten des Rauchens grundsätzlich zumindest akzeptabel sind;
Der Einstieg ins Rauchen scheint unabhängig von der Situation des Rauchens in der Öffentlichkeit oder Gastronomie vor allem durch sog. "peer groups" gefördert zu werden (bei 75% der RaucherInnen), dazu spielt das Rauchverhalten in der Herkunftsfamilie eine Rolle;
das Risiko des Rauchens wird von RaucherInnen eher verdrängt (von 67%), dies ist unabhängig von verschiedenen Situationen des Rauchens. Daher zeigen auch die inzwischen drastischen Warnungen auf Zigarettenpackungen oder bei Werbemaßnahmen keine wesentliche Wirkung.
Rauchverbote beeinflussen nur in geringem Ausmaß direkt die Bereitschaft und Motivation,mit dem Rauchen aufzuhören. Sie wirken allenfalls als Verstärker, wenn andere Motive bereits vorhanden sind, wie Gesundheitsaspekte oder die Kosten des Rauchens (Ergebnis der ExpertInneninterviews);
NichtraucherInnenschutz in der Gastronomie: relevante Aspekte
Dies ergibt folgende Aspekte bei der Lösung des Themas "NichtraucherInnenschutz in der Gastronomie". Zuerst die Ausgangslage aufgrund der Einstellungen in der Bevölkerung:
Totale Rauchverbote entziehen RaucherInnen wesentliche Motive, überhaupt ein Gastlokal aufzusuchen;
Das Bedürfnis nach Geselligkeit ist auch für NichtraucherInnen oft stärker als eine Ablehnung des Passivrauchens; daher werden Nichtraucherzonen in Lokalen auch wenig genutzt (weil mit rauchenden Freunden etc. ausgegangen wird);
Dass für NichtraucherInnen Bereiche auch in der Gastronomie geschaffen werden, in denen sie grundsätzlich oder fallweise rauchfrei sein können, wird einschließlich allfälliger Einschränkungen oder Kosten für sie selbst inzwischen auch von einer Mehrheit der RaucherInnen akzeptiert;
Rauchverbote haben keinen Einfluss darauf, ob mit dem Rauchen begonnen wird oder nicht, und sie beeinflussen nur minimal die Wahrscheinlichkeit eines Ausstiegs vom Rauchen.
Lösungsvorschläge jenseits eines totalen Rauchverbots in der Gastronomie
Die aufgrund der o.a. Studienergebnisse sinnvollste Lösung ist eine Differenzierung des gastronomischen Angebots nach "Raucherlaubnis". Eine solche Differenzierung kann auf maximale Akzeptanz der gesamten Bevölkerung (rauchend und nichtrauchend) zählen. Die Typen sind:
reine Raucherlokale
gemischte Lokale
reine Nichtraucherlokale
Dies bedeutet, dass insbesondere solche Lokale, in denen eine klare räumliche Trennung nicht möglich ist, oder die sich aufgrund des Typs (Bars, Tanzlokale) nicht für eine Trennung eignen, sich für "Raucher" oder "Nichtraucher" entscheiden müssen.
Um zu verhindern, dass dann grundsätzlich "Raucher" gewählt wird, sollte eine besondere Lizensierung als "Raucherlokal" vorgesehen werden, die auch etwas kostet, z.B. eine von der Anzahl der Verabreichungsplätze abhängige Sonderabgabe, und/oder einen Zuschlag zur Krankenversicherung der dort tätigen Personen (gem. ASVG und GSVG).
Diese Zusatzkosten müssten natürlich auf die Preise in Raucherlokalen überwälzt werden. Dafür (höhere Kosten für RaucherInnen) gibt es gemäß den Studienergebnissen durchaus Akzeptanz auch bei den RaucherInnen.
Wieviele und welche Raucherlokale dann regional vorhanden sind und mittelfristig überleben, ergibt sich aus dem derart regulierten Markt (= Raucherlokale sind teurer als andere).
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Bei Rückfragen: Univ.-Prof. Dr. Ingo Mörth, ingo.moerth@jku.at