Oberösterreichische Nachrichten vom 06.  07. 1995 - Seite 018

 

Titel: Gefragt ist die Vielfalt

Untertitel: Studie "Kulturheimat Oberösterreich" ist für die Kulturpolitik ermutigend

Kulturelle Identität im Europa der Regionen: Diese Untersuchung am Beispiel Oberösterreichs gab die Kulturabteilung des Landes in Auftrag. Die Ergebnisse werden heute dem Plenum des Landeskulturbeirats vorgelegt. Die gründliche Untersuchung (die natürlich noch genauer im Raster, noch strenger wissenschaftlich strukturiert sein könnte) ist eine Ermutigung für die Kulturpolitik, auf einem klar gutgeheißenen Weg fortzufahren: Bewahrtes und neue Kulturformen parallel zu unterstützen und auch in den Gemeinden den Dialog zu fördern.

Projektträger war die Pädagogische Akademie der Diözese (Gerhard Niel, Otto Stoik), wissenschaftlicher Konsulent Univ.-Doz. Ingo Mörth (Kepler-Universität). Die seriöse und genaue Fragestellung ergibt, auf einen Nenner gebracht: Wo in einer Gemeinde oder auch Kleinregion die Werte von Freiheit und Offenheit sichergestellt sind, dort wird auch die "neue Kultur" als verankert gesehen und sie kann mit der herkömmlichen Kultur und dem Brauchtum in Dialog treten. Ausgangspunkt der Untersuchung war Kultur im Sinn des Europarats: "Kultur ist alles, was es den Individuen erlaubt, sich gegenüber der Welt, der Gesellschaft und auch gegenüber dem heimatlichen Erbe zurechtzufinden, sowie alles, was dazu führt, daß der Mensch auch seine Situation besser begreift, um sie unter Umständen verändern zu können." Gewünscht: ein Land mit unverkennbarer Eigenart

Diese hehre Definition wurde als Parameter an das kulturelle (Selbst-)Verständnis angelegt. Ausgesucht wurden Orte, die nicht im Zentralraum liegen, da hier andere Bedingungen gegeben sind. Untersucht wurden Gemeinden mit kultureller Schwerpunktförderung (Landesausstellungen), Gemeinden mit innovativem Kulturpotential (Dynamik örtlicher oder regionaler Kulturinitiativen, z. B. Freistadt), und mit "alltäglicher Regionalkultur", jeweils etwa 50 Bewohner unterschiedlichen Alters, Bildungsstandes und sozialen Status befragt.

Einige Ergebnisse:

Was Oberösterreich künftig sein sollte: ein Land mit unverkennbarer Eigenart, aber auch, so betonen 51 Prozent der Befragten, ein Ort der offenen Tür und der Gastfreundschaft für Fremde. 47 Prozent lehnen strikt ab, daß es ein Ort sein sollte, wo der einzelne sich anzupassen und mit der Mehrheit zu gehen habe.

Genauer hinterfragt, halten das Bewahren von Eigenart und Offenheit für Fremde 37,9 Prozent der Befragten für vollständig vereinbar, 59,7 immerhin noch für teilweise und nur 2,4 Prozent für gar nicht, und 26,6 halten neue Kulturentwicklung und Bewahrung von Tradition absolut für vereinbar, 69,3 Prozent immerhin schon teilweise - ein Denk-Fortschritt angesichts der Tatsache, daß in die Befragung auch Gemeinden mit einem starken traditionsgebundenen Profil einbezogen wurden. Grundsätzlich geht eine klare kulturelle Identität der Oberösterreicher einher mit einer selbstbewußten Positionierung in Zentraleuropa. Bei der Erstellung einer Werte-Hierarchie als Wunschvorstellung kommt nach Offenheit, Solidarität, Vertrauen und persönlicher Entfaltung bereits der Wunsch nach Innovation in der Kultur.

Bei Infrastrukturwünschen in der Wohnregion zwischen intakter Umwelt und (an 23. und letzter Stelle: Bars und Abendlokalen) kommt an elfter Stelle der Wunsch nach Jugendtreffs, an 14. Stelle jener nach einem vielfältigen kulturellen Angebot. Nach dem Grad der Bedeutung kultureller Angebote in der Region steht an erster Stelle (von 20) der Wunsch nach interessanten Museen, an vierter Stelle schon Kleinkunst und Kabarett, interessanterweise erst an 17. jene von Rock- und Popkonzerten berühmter Interpreten. Daß Oper an letzter Stelle zu stehen kommt, ist klar. Oper wird nicht mit dem Angebot in der Kleinregion identifiziert, sondern auch gefühlsmäßig den soziokulturellen Zentralräumen zugeordnet.

Bei der Untersuchung der Kulturkenntnisse der Oberösterreicher steht mit 38 Prozent weit an der Spitze die Klangwolke in Linz, 18 Prozent an zweiter Stelle kennen Landesausstellungen, dann kommen gleich Theaterfahrten. Mit der Klangwolke ist es also gelungen, einen hohen Symbolwert für die ganze oberösterreichische Kulturregion zu schaffen. Daß nur vier Prozent Musikschulen kennen, ist dagegen nicht ganz vorstellbar.

Ermutigend für die Medien: Als wichtigste Informationsquellen von Kultur, regelmäßig konsumiert, werden von 56 Prozent Zeitungen angegeben, 40 Prozent geben den ORF an. Die Publikationen der Veranstalter selbst (Falter, Flugblätter) kommen an letzter Stelle (33 bzw. 26 Prozent).

Natürlich gibt es deutliche Unterschiede bei Untersuchung des sozialen Status und der Ausbildung. Ermutigend für das Angebot von Kultur generell: 66 Prozent der A-Schicht-Befragten halten das Fernsehen für sie persönlich für bedeutungslos. Aufhorchen lassen sollten die Angaben zum Freizeitverhalten von Schülern und Lehrlingen: Es macht ihnen überdurchschnittlich Spaß, ins Theater zu gehen - natürlich Kino und die Disco nicht zu vergessen.

Bei genauem Studium ergeben sich natürlich widersprüchliche Ortsbezüge und Verhaltensformen in den unterschiedlichen Gemeindetypen. Das ist klar. Aber die Quersumme aus dem allen gezogen lautet, daß Oberösterreich als Identitätsfaktor in einem Europa der Regionen ein Ort der Offenheit auch für neue Kultur sein sollte: Das sollte allen den Rücken gegenüber jenen stärken, die das Rad der Entwicklung wieder zurückdrehen wollen in Richtung Bierzeltkultur. Wobei deren Existenzberechtigung genausowenig in Frage gestellt werden soll wie die Aktivitäten der Kupf. Allen sei's gesagt.


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