Digitale Eliten: "Götter" oder Normalsterbliche?

VON CHRISTIAN PICHLER

Wer sind sie, die da an zentralen Netzwerkstellen sitzen, womöglich durch Sicherheitssysteme von der Außenwelt abgeschottet? Sind es "Götter" einer "virtuellen Welt", unglaublich flexibel im Denken und Handeln? Macht es überhaupt Sinn, nach diesen Akteuren zu fragen, oder sind sie ohnehin nur Teil hochkomplexer Systeme ohne nennenswerten Einfluss?

Lutz Ellrich, der derzeit an der Universität Paderborn Medienwissenschaft unterrichtet, interviewte 200 Digital-Experten, vom Sicherheitsexperten bis zum Hacker. Eine der überraschenden Erkenntnisse dieser soziologischen Studie, die Ellrich beim Vortrag "Digitale Eliten" auf der Uni Linz präsentierte: Das Weltbild der "Elite" unterscheidet sich wenig von dem der "Normalsterblichen". Sie suchen selbst nach einer persönlichen Identität, ertragen das gegenwärtige virtuelle Herumirren meistens nur im Glauben daran, dass Computer in einigen Jahren ihnen diese Identität tatsächlich verschaffen können.

Eher psychisch stabile Menschen verkraften die nötige Flexibilität. Ellrich vergleicht diese Erkenntnis mit jüngsten Gewalt-Forschungen: Aggression im TV verstärkt bei Menschen, die zu Gewalt neigen, die Aggressionen. Hingegen dient stabileren Zeitgenossen Gewalt-TV zum Aggressionsabbau.

Ein weiteres, sehr normalsterbliches Verhalten: Das Verhältnis zur Maschine ist weniger ein geistiges, sondern wird mit sehr körperlichen Ausdrücken beschrieben: Darmgeräusche etc. Es kommen auch Fälle von Ekel gegenüber dem Gerät vor. Das heißt, dass also nicht bloß Schleimiges, Glitschiges Ekel hervorzurufen vermag, sondern auch ein glatter Computer.

Gemeinsam ist solchen Menschen "das große Interesse an Geld", was "auch Skrupellosigkeit" zur Folge haben kann. Verständlich, meint Ellrich, stellen doch besonders für die Digital-Elite nachrückende Generationen arbeitsgefährdendes Potenzial dar. Bestenfalls lassen sich Top-Positionen zehn Jahre halten. Das bedeutet, möglichst viel Geld in kurzer Zeit zu verdienen. Macht ist, verglichen mit Geld, weniger wichtig. Definieren andere heute Macht über ihre Präsenz in den Medien, begnügen sich Computer-Experten eher damit, im stillen Kämmerlein die Fäden zu ziehen.

Interessant auch der Ort, an dem die Spezialisten arbeiten: Früher gab es Spekulationen, Hightech-Menschen würden eher an der Peripherie oder gar im idyllischen Grünen - vernetzt mit dem Rest der Welt - arbeiten. Bislang konzentrieren sich technische Ballungszentren allerdings in den Städten.

Hightech-Zellen sind entstanden, autonome Gebiete in einer Stadt. Die Zukunft könnten zwei gegensätzliche Szenarien beschreiben. Das negative besagt, dass solche Orte abgeschottete Zonen sind, umgeben von einer Peripherie von beruflich geringer Privilegierten. Die optimistische (?) Variante wären Zonen, umgeben von Freizeitzentren, von Events, die die Experten zu kreativer Arbeit anregen.

Freilich, an dieser Spaß-Gesellschaft kann dann auch nur teilnehmen, wer genug Geld hat.

Ende der Serie