"Elektronische Identität" oder " Ist Pepsi New York" ?

VON CHRISTIAN PICHLER

Ist das Leben ein Videospiel? - In dem Sinne, dass wir uns gleichsam von einem Ort zum anderen "zappen"? Und weiter, dass sich also eine virtuelle Realität über die "reale" - unser körperbestimmtes Dasein - schiebt? Über solche Fragen referierte der Wiener Philosoph Herbert Hrachovec in Linz.

Mit dem Slogan "Pepsi ist New York" bewarb der Konzern vor einigen Jahren sein Getränk. Was bedeutet dieser Satz? Zwei konträre Positionen sind möglich. 1). Der Satz ist Schwachsinn, Pepsi ist nicht New York, sondern ein stark zuckerhaltiges Getränk. 2). Durch Werbung, durch Medien kann tatsächlich etwas wie New York im Kopf eines Menschen entstehen, der Pepsi trinkt.

Sie finden Punkt zwei seltsam, wenn nicht gar abwegig? Dennoch, das Beispiel veranschaulicht Diskussionen rund um Begriffe wie "Cyberspace", "Virtuelle Realität": Handelt es sich um Scheinbegriffe? Eine Beobachtung der Soziologie scheint diese Frage zu verneinen: Kinder, die mit dem Computer aufgewachsen sind, nehmen tatsächlich zunehmend den "realen Raum" "zappend", wie in einem Computerspiel, wahr. D. h. Orte wie Schule, Tennisplatz, Disco sind isolierte "Welten" - ohne die Wege dazwischen, die es zu überbrücken gilt.

Ausschweifender Einleitung kurzer Sinn: Was "klassische" Begriffe wie Raum oder Zeit im digitalen Bereich bedeuten, ist mehr als umstritten. Deshalb wirken Propheten der "virtuellen Realität" bisweilen hilflos, wenn sie über ihr Metier sprechen. Bei einem Vortrag in Linz nahm es Herbert Hrachovec auf sich, über weitere ungeklärte Begriffe zu referieren: "Elektronische Identitäten".

Hrachovec' Grundthese: "Identität" sei in der elektronischen "Welt" gänzlich neu zu definieren. Dieser Gedanke sei ihm zuerst gekommen, als er durch zwei falsch eingegebene Codes plötzlich keinen Zugriff mehr auf seine Datenbank hatte. Identität im elektronischen Raum geschehe also "durch das Ändern einer Zahl"; Hrachovec wurde vom Computer nicht "erkannt". (Einwand aus der Zuhörerschaft: Wenn ich die Zahlenkombination meines Fahrradschlosses vergesse, wechsle ich dann auch meine Identität?)

Zweites Beispiel: Wer per Computer einkauft, von dem kann längerfristig ein Benutzerprofil erstellt werden. Der Käufer gehört dann einer Konsumentengruppe an. Der Computer schreibt dem Käufer eine "Identität" zu. (Aber: Mehr als läppische Kaufgewohnheiten werden damit nicht definiert. Die "Identität", das "Intimleben" des Käufers bleiben im Dunkeln.)

Verwaschene Begriffe

Ein weiteres Beispiel, "interaktive Textwelten": Ein Student hält per Computer ein Referat, Kollegen können darauf in Echtzeit reagieren: Es wird munter durcheinander gequasselt, die Teilnehmenden können verschiedenste "Identitäten" annehmen (Geschlechterwechsel etc.). Einwand des Publikums: Darin unterscheide sich diese Situation nicht vom herkömmlichen Karneval.

Versuch eines Fazits: Hrachovec definiert Begriffe unzureichend, weitreichende Wörter wie "Welt" werden unreflektiert übernommen. Das erinnert etwa an den gedankenlosen Gebrauch von "Modewelt": In einer Saison werden Röcke kurz, in der nächsten lang, dann wieder kurz getragen. - Das ergibt noch lange keine "Welt". Hrachovec' Thesen treffen nur zu, insofern sie das Image, den Schein von Menschen beschreiben. Über den sehr heiklen, sehr diffizilen Begriff "Identität" geben sie nur sehr begrenzt Auskunft.

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