aus: D. Stockmann (Hg.), Volks- und Popularmusik in Europa, (= Neues Handbuch der Musikwissenschaft Bd. 12), Laaber 1992, S. 445-477, © Laaber-Verlag


JAZZ, ROCK UND POPMUSIK

von

Peter Wicke (Humboldt-Universität, Berlin)

Die populären Musikformen sind im zwanzigsten Jahrhundert zu einer nahezu allgegenwärtigen Erscheinung des Alltagslebens geworden, wobei sie — über die modernen audio-visuellen Massenkommunikationsmittel massenhaft produziert und verbreitet — zunehmend einen globalen Charakter angenommen haben. War ihre Entwicklung noch im neunzehnten Jahrhundert an regionale oder lokale Funktions- und Wirkungszusammenhänge gebunden, die sich in jeweils charakteristischen Musikformen und einem entsprechend identifizierbaren musikalischen Idiom niederschlugen (z.B. Wiener Walzer), so treten mit der Herausbildung des modernen Industriekapitalismus, der Bindung der populären Musikformen an die Massenmedien und der Entstehung einer komplexen, nach und nach internationalisierten Musikindustrie an deren Stelle nun soziale, technologische und ökonomische Faktoren, die aus der populären Musik eine transnationale Musikpraxis haben werden lassen. Dabei sind nicht nur lokale und regionale Musiktraditionen aus allen Teilen der Welt in diesen transnationalen Zusammenhang integriert worden — angefangen bei den verschiedenen Formen der afroamerikanischen Musik zu Beginn des Jahrhunderts bis hin zu Ethno Pop und World Music, den sich seit Beginn der achtziger Jahre wachsender Popularität erfreuenden traditionellen Musikformen und ihren Pop-Derivaten aus den Ländern der sogenannten Dritten Welt. Innerhalb solcher globalen Zusammenhänge sind auch eine ganze Reihe neuartiger Musikformen entstanden, die — wie die zeitgenössischen Formen der Popmusik — jede spezifische Bindung an nationale oder regionale Musikkulturen verloren haben.

Jazz, Rock und Popmusik sind ohne Zweifel wichtige, vor allem aber folgenreiche musikalische Erscheinungen dieses Entwicklungsprozesses, mitnichten jedoch die einzigen. Mit gleicher Berechtigung könnte an dieser Stelle eine Betrachtung des Schlagers, der die erste Hälfte des Jahrhunderts dominierte, der Gesellschaftstänze und verschiedenen Formen von Tanzmusik oder des Musicals stehen, selbst wenn die Grenzziehungen zwischen ihnen oft problematisch sind. Daß aus den im zwanzigsten Jahrhundert dominierenden populären Musikformen Jazz, Rock und Popmusik hier herausgegriffen wurden, ist dennoch mehr als nur dem Zwang zu äußerster Beschränkung im vorliegenden Kontext geschuldet, markieren sie doch drei entscheidenden Entwicklungsstadien im Prozeß der Herausbildung jenes transnationalen Zusammenhangs, der für die populäre Musik dieses Jahrhunderts so charakteristisch geworden ist.

Jazz gehörte zu den ersten Formen der populären Musik, die eine nahezu globale Verbreitung fanden. Rockmusik ist dann schon ausschließlich in globalen Zusammenhängen produziert und verbreitet worden, obwohl mit dem amerikanischen Rock'n'Roll und der britischen Beatmusik noch aus nationalen Kulturzusammenhängen hervorgegangen und durch deren Besonderheiten geprägt, während die Popmusik eine transnationale Musikpraxis ist, die auf nationale Kulturzusammenhänge nicht mehr zurückgeführt werden kann. Darüber hinaus besitzen Jazz, Rock und Popmusik in den afroamerikanischen Traditionen und in den in den USA entstandenen frühen Formen industrieller Musikproduktion (Tin Pan Alley) nicht nur gemeinsame musikalische Wurzeln; sie stehen auch untereinander in einem direkten Entwicklungszusammenhang.

Hinter allen drei Begriffen verbirgt sich jeweils ein ganzes Ensemble verschiedenartiger musikalischer Genres und Gattungen, das in sich äußerst heterogen und kaum eindeutig definierbar ist. Zudem sind Gattungs-, Genres- und Stilbezeichnungen in der populären Musik mit der wachsenden Bedeutung ökonomischer und kommerzieller Faktoren zunehmend zu Marketinginstrumenten geworden, was ihren ursprünglichen Sinn dann entweder ausgehöhlt oder aber mit neuer Bedeutung überlagert hat. Der enormen und kaum noch überschaubaren Breite und Vielfalt der populären Musikpraxis steht somit auch noch eine Terminologie von erheblicher Unschärfe gegenüber, die den Begriffen Jazz, Rock und Popmusik nicht minder anhaftet. Darauf sei zumindest hingewiesen, da im folgenden die Entwicklung dieser Musikformen nur in äußerst groben Umrissen nachgezeichnet werden kann, was eine Klärung terminologischer Probleme ausschließt.1 Ebenso kann der Vielfalt an Musikpraktiken, die die Begriffe Jazz, Rock und Popmusik implizieren, im Rahmen dieses Kapitels nicht nachgegangen werden. Stattdessen ist die Darstellung auf solche Formen begrenzt, die in den entstandenen transnationalen Zusammenhängen und im Prozeß ihrer Herausbildung als dem für die populäre Musik dieses Jahrhunderts herausragendem Phänomen eine dominante Rolle gespielt und damit die Musikkultur der Gegenwart entscheidend geprägt haben.

Soziale, ökonomische und technologische Voraussetzungen

Die Musikkulturen aller hochentwickelten Industrieländer haben mit dem Eintritt ins zwanzigste Jahrhundert einen tiefgreifenden Umbruchsprozeß durchlaufen, der durch eine Reihe sozialer, ökonomischer und technologischer Faktoren bedingt war und insbesondere in der Entwicklung der populären Musikformen Ausdruck gefunden hat. So sind zwischen 1890 und 1920 Organisation und Methoden der materiellen Industrieproduktion gravierend verändert worden, was erhebliche Auswirkungen auf die Bedingungen der Musikrezeption hatte. Aus dem im neunzehnten Jahrhundert entstandenen Industriebetrieben wurden in dieser Zeit riesige Großunternehmen, die Tausende von Arbeitskräften an ihren Standorten konzentrierten. Daraus sind die urbanen Strukturen moderner Großstädte hervorgegangen, mit allen Konsequenzen, die das für die Infrastruktur des Musiklebens hatte: so etwa die Entstehung einer Reihe spezifischer musikkultureller Institutionen, wie die verschiedenen städtischen Amüsierbetriebe, die Massenmedien usw. Gleichzeitig sind in diesem Prozeß die Lebensbedingungen großer Bevölkerungsgruppen vereinheitlicht worden, so daß sich soziale und kulturelle Massenbedürfnisse herausbilden konnten, die nicht nur die Massenproduktion von Konsumgütern, sondern nun auch eine massenhafte Produktion und Verbreitung von Musik zur Folge hatten. Die durchgreifende Mechanisierung der Industrieproduktion im gleichen Zeitraum führte zu Veränderungen in den Reproduktionsmustern der Arbeitskraft, zu Veränderungen in den Strukturen von Freizeit und Erholung, womit Musik in immer komplexere Rezeptionszusammenhänge geriet. Das hat die noch vorhandenen Bindungen des Musizierens an einigermaßen fest umrissene soziale Anlässe und Funktionen (Tanzmusik, Marschmusik, Unterhaltungsmusik) endgültig aufgelöst, die massenhaft produzierten und verbreiteten Genres und Gattungen der Musik zunehmend multifunktionalen Anforderungen ausgesetzt und damit zu einem integralen, über die Massenmedienfaktisch universell verfügbaren Bestandteil des Alltags werden lassen. So sind die populären Formen des Jazz in den ersten Dekaden des Jahrhundert nicht nur jeweils aus den unterschiedlichsten musikalisch-funktionalen Zusammenhängen gespeist worden (Tanzmusik, Marschmusik, Volksmusik, unterhaltenden Musiktheater etc.), sie stehen nun selbst in einem multifunktionalen Zusammenhang, der sie sowohl als Tanzmusik, in konzertanter Aufführung, als Bühnenmusik im Rahmen von Varieté, Revue und Operette, als Filmmusik wie auch als Hintergrundmusik in Bars und Restaurants, durch Schallplatte und Radio auch für die verschiedensten Verrichtungen im häuslichen Alltag verfügbar macht. Das blieb nicht ohne musikalische Konsequenzen, muß eine solche Musik doch für die damit verbundenen Aufführungsformen und die entsprechenden Instrumentations- und Besetzungsanforderungen gleichermaßen geeignet sein. Infolge dessen bildeten sich immer wieder benutzte musikalische Grundmuster heraus, die nahezu ausnahmslos an Tanzrhythmen festgemacht sind und mit einem sehr eng begrenzten tonalen und harmonischen Repertoire an Gestaltungsmitteln auskommen, so da sie in allen gängigen Besetzungsformen aufführbar werden. Komposition und Instrumentation sind auf diese Weise nicht nur zu arbeitsteilig voneinander getrennten kreativen Vorgängen geworden, realisiert durch den Komponisten einerseits, den Arrangeur andererseits. Sie haben dabei ihre ursprünglich sowohl ästhetisch wie durch Tradition und Konvention bedingte Bindung aneinander verloren — eine unmittelbare Voraussetzung für die spätere Schwerpunktverlagerung auf Timbre, Klangfarbe und Klangeffekte (Sound), wie dies insbesondere dann für die Rock- und Popmusik charakteristisch geworden ist.

Der nach dem zweiten Weltkrieg einsetzende Übergang zur vollen Automatisierung der Produktion hatte ähnlich weitreichende Auswirkungen auf die Musikkultur. Die industrielle Massenproduktion von Konsumgütern erreichte nun eine Größenordnung, die eine gravierende Dynamisierung und eine permanente Expansion der Absatzmärkte erforderte. Die Konsumgesellschaft entstand, und mit ihr bildeten sich neue soziale und kulturelle Wertesysteme heraus, die auch den Umgang mit Musik veränderten. Die populären Musikformen wurden jetzt zum Bestandteil spezifischer Lebensstile, in denen sie in einen durch bestimmte Konsummuster gebildeten kulturellen Zusammenhang eigener Art eingebunden sind. Die Genres und Gattungen der Rock- und Popmusik etwa sind nicht mehr nur schlechthin Musikformen, sondern sie verkörpern jeweils komplexe kulturelle Zusammenhänge, ein System von kultureller Werten sowie entsprechenden Konsum- und Verhaltensmustern wie Kleidungsstile, Haarmoden, Freizeitrituale usw., an das ihre Rezeption gebunden ist2. Zugleich wurden mit der notwendig gewordenen Expansion der Absatzmärkte neue Konsumentengruppen entdeckt, die nun — wie insbesondere die Altersgruppe der 14- bis 25jährigen — ins Zentrum des Interesses der Konsumgüterindustrie ebenso wie der Musikindustrie gerieten. Dies änderte sich erst, als mit Beginn der achtziger Jahre auch die Musikindustrie einen globalen Charakter angenommen hatte, die marktbeherrschenden, überwiegend US-amerikanischen Medienkonzerne in die Strukturen des internationalen Kapitals integriert waren und nach neuen, expansionsfähigen Märkten suchten. Mit Compact Disc (CD) und High-Tech-Unterhaltungselektronik — beides an die zahlungskräftigen sozialen Mittelschichten gebunden — gerieten Zielgruppen ins Zentrum ihrer Marketingstrategien, die die Ära der von computergesteuert erzeugten synthetischen Klangformen und dem Musikvideo beherrschten Popmusik einleitete.

Die explosionsartige Entwicklung der Kommunikationstechnik und verbunden mit ihr der audiovisuellen Massenmedien hat die Musikkultur des zwanzigsten Jahrhunderts, in ganz besonderem Mae aber die populären Musikformen, wie kaum ein anderer Faktor geprägt. Als Thomas A. Edison 1877 seinen Phonographen erstmals der Öffentlichkeit vorstellte, dachte er dabei an eine Nutzung als Diktiergerät und keineswegs an die technische Reproduktion von Musik. Doch Louis Glass, Manager der Pacific Phonograph Company, einem Ableger von Edisons Phonograph Company, wies dieser Erfindung 1889 den Weg in die Zukunft — ein Schritt, der die Bedingungen der Musikentwicklung buchstäblich revolutionierte. Glass rüstete eine Reihe von Diktiergeräten mit einem Münzmechanismus aus, installierte in ihnen mit Musik bespielte Zylinder und stellte die Geräte in San Franciscos Palais Royal Saloon aus. Das sollte nicht nur die Geburtsstunde der Musicbox werden, es verhalf auch dem von Emile Berliner ein Jahr zuvor als Patent angemeldeten Gramophone zum Durchbruch. Erst das ermöglichte die Entstehung der Schallplattenindustrie, denn die Musicbox blieb bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts das eigentliche Ziel der Schallplattenproduktion. Die zunächst relativ hohen Kosten der Platten ließen einen Massenabsatz für die individuelle Nutzung dieses Mediums nicht zu. Für die deshalb eher exklusiven individuellen Käuferschichten von Schallplatten wurde ein nahezu ausschließlich klassisches Repertoire produziert, während sich die Musicbox zur Domäne der populären Musik entwickelte. Eine drastische Verbilligung der Schallplatte und in Konsequenz ihre massenhafte Verbreitung als individueller Konsumgegenstand ermöglichte erst das nach dem zweiten Weltkrieg eingeführte Vinyl, zumal dieser Kunststoff kaum zerbrechlich ist und somit auch Transport- und Lagerkosten erheblich senkte.

Doch zunächst hat eine andere Form der technischen Reproduktion von Klang um die Jahrhundertwende einen entscheidenden Einfluß auf die Musikentwicklung genommen — das mechanische Klavier. Pianos erfreuten sich im 19. Jahrhundert einer überaus großen Popularität. Die Mitte des Jahrhunderts entstandene Musikindustrie, im wesentliche Verlagsimperien, war darauf gegründet, erlaubte die Verbreitung des Pianos doch den Massenabsatz von Notendrucken mit entsprechend eingerichteten Musikstücken. Ihre Grenzen fand diese Verbreitungsform von Musik freilich in den spieltechnischen Möglichkeiten der potentiellen Käufer solcher auf Massenabsatz angelegte Notendrucke. Die parallel zur Schallplatte erfolgte Entwicklung des mechanischen Klaviers — gesteuert von einem Lochstreifen aus Papier, dem das Einspiel eines professionellen Pianisten eingestanzt war, wiedergegeben über eine pneumatisch gesteuerte Mechanik — erlaubte demgegenüber die massenhafte Verbreitung von jeder Art Klaviermusik, nicht nur unabhängig von den spieltechnischen Fähigkeiten der Käufer solcher Musik, sondern nun auch an Käuferschichten, die zur praktischen Musikausübung nicht in der Lage waren, sowie vor allem an die Besitzer gastronomischer Einrichtungen. Der amerikanische Musikverleger und Klavierfabrikant William B. Tremaine gründete auf der Produktion mechanischer Klaviere und den dazugehörigen Papierrollen ein riesiges Imperium. Insgesamt ging der Absatz von mechanischen Klavieren gegen Ende des 19. Jahrhunderts allein in den USA in die Hunderttausende pro Jahr, während die Produktion von Papierrollen bereits Millionenhöhe erreichte. Das hat nicht nur dem Ragtime als erster afroamerikanischer Musikform einen riesigen Markt erobert und damit die Verbreitung des Jazz vorbereitet, es hat vor allem den Produkten der amerikanischen Musikindustrie und mit ihr den populären Musikformen aus den USA erstmals einen internationalen Markt erschlossen.

Die mechanischen Klaviere wurden in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts schnell von der technisch überlegenen Schallplatte verdrängt. Die Schallplatte war es auch, auf deren Grundlage das komplexe System der Musik- und Medienindustrie in seiner heutigen Form entstand. Die 1886 in den USA gegründete Columbia Records — noch immer eine Säule des Mediengiganten CBS (Columbia Broadcasting System), inzwischen allerdings im Besitz des japanischen Elektronikkonzerns SONY — sollte zum Grundstein für die moderne Musikindustrie werden. Das Fusionsprodukt mehrerer Phonographen- und Büromaschinenhersteller etablierte sich binnen weniger Jahre zunächst als führender Produzent bespielter Edinsonscher Zylinder und verhalf der vor allem mit dem Namen John Philip Sousa verbundenen populären Blasmusik um die Jahrhundertwende zum Durchbruch auch in Europa. Die Begrenzung auf Blaskapellen war zwar rein technologischen Faktoren geschuldet — das dem Edinsonschen Phonographen zugrunde liegende Aufzeichnungsverfahren erzielte bei Blechblasinstrumenten die klanglich besten Resultate — sollte aber großen Einfluß auf den sich zur gleichen Zeit herausbildenden Jazz haben. Die Popularität von Blasmusik stimulierte die Entstehung afroamerikanischer Blaskapellen, die als die Urformen des Jazz anzusehen sind. Emile Berliners 1901 gegründete Victor Talking Machine Company, mit der er nach mehreren finanziellen Fehlschlägen seine ein gutes Jahrzehnt zuvor patentierte Schallplatte schließlich in eine marktgerechte Anwendungsform überführte, zwang in kurzer Zeit auch die Konkurrenz zum Übergang vom Zylinder auf die Schallplatte und ließ dieses Medium endgültig zur dominanten Form der Musikverbreitung im zwanzigsten Jahrhundert werden. Auch Berliners Firma entwickelte sich zu einem Mediengiganten — RCA Victor, der die Entwicklung der populären Musikformen bis in die Gegenwart, seit 1986 allerdings unter der Ägide des bundesdeutschen Bertelsmann-Konzerns, geprägt hat. Es gibt nicht eine Entwicklungsform der populären Musik in diesem Jahrhundert, die nicht mit dem Namen von einer der beiden Firmen verbunden wäre, seien es die Größen der Jazzgeschichte wie Benny Goodman oder Duke Ellington, die bei Victor produzierten, Jack Teagarden oder Teddy Wilson, die die Columbia unter Vertrag hatte, sei es Elvis Presley, der der Welt von der RCA Victor beschert wurde, während CBS Columbia ein Jahrzehnt später mit Bob Dylan der Rockmusik eine neue Richtung wies, bis hin zu Michael Jackson, der auf dem Columbia Sublabel Epic vertrieben wird, während die RCA Victor, seit den sechziger Jahren nur noch als RCA Records, beispielsweise mit David Bowie, den Eurythmics und Janet Jackson in der Popmusik der Gegenwart präsent ist. Der dritte im Bunde der sich um die Jahrhundertwende zur Industrie formierenden Schallplattenhersteller wurde 1896 in England gegründet, die Electrical and Musical Industries (EMI), die Anfang der sechziger Jahre mit den Beatles den bislang größten Erfolg in der Geschichte der Mediums Schallplatte für sich verbuchen konnte.

Mit der Herausbildung der auf die Produktion von Schallplatten gegründeten Musikindustrie geriet die Musikentwicklung vollständig in Abhängigkeit von den technischen und ökonomischen Bedingungen dieses Mediums. Technologische Neuerungen, wie das nach dem Zweiten Weltkrieg für die Studioproduktion von Musik eingeführte Tonband, das eine mehrspurige Aufzeichnung, nachträglich Korrekturen der Aufnahme im Abmischvorgang sowie ein materialsparendes Wiederholen des Aufnahmeprozesses auf dem gleichen Tonträger zuließ, schlugen nun unmittelbar auf die Musikentwicklung durch. Der Rock'n'Roll etwa und die nachfolgende Entwicklung der Rockmusik wären ohne all das nicht denkbar gewesen, basierten sie doch mit dem afroamerikanischen Rhythm & Blues und der euroamerikanischen Country Music auf schriftlosen und stark klangorientierten Traditionen, die ohne die technische Flexibilität des Tonbandes im Studio kaum beherrschbar gewesen wären — von dem dann einsetzenden Technisierungsgrad der Musikentwicklung, wie er für die Rock- und Popmusik charakteristisch werden sollte, hier ganz abgesehen. Der Jazz, der dem gleichen musikalischen Traditionszusammenhang entstammt, war zuvor noch einem Anpassungsprozeß an die Produktionsbedingungen der Verlagshäuser unterworfen gewesen, der in die durcharrangierten Swing-Orchester der dreißiger Jahre mündete.

Mit der 1919 in den USA gegründeten Radio Corporation of America (RCA) trat der Rundfunk in den Musikprozeß ein. Dabei handelte es sich um ein Gemeinschaftsunternehmen der wichtigsten Halter von Radio-Patenten, nämlich der General Electric, Westinghouse, AT & T und der American Marconi. Auch in der 1926 gegründeten National Broadcasting Corporation (NBC) sowie der 1928 folgenden Columbia Broadcasting Corporation (CBS) waren die großen Elektrokonzerne mit ihren Interessen repräsentiert. Als Ende der zwanziger Jahre die junge Radioindustrie die wichtigsten Zweige der Schallplattenindustrie aufkaufte — die RCA übernahm 1929 Victor, die CBS im gleichen Jahr Columbia —, befand sich die Musikindustrie schließlich in direkter Abhängigkeit von den Technologieproduzenten. Auch das ist ein Grund für die unmittelbare Wechselbeziehung zwischen Musik- und Technologieentwicklung.

Der Rundfunk sollte fortan nicht nur zum wichtigsten Werbemedium für die Schallplatte werden, seine Programmstruktur fungierte zugleich als Filter für die Musikentwicklung. Vor allem das kommerzielle, von der Konsumgüterwerbung abhängige Rundfunkwesen der USA hat die Entwicklungsprozesse der populären Musik damit zutiefst geprägt. Das hier entwickelte format radio, das mit einem auf bestimmte Zielgruppen abgestimmten Programmformat der Konsumgüterwerbung genau definierte Adressatengruppen aufzuschließen suchte, schlug sich in einer Strukturierung des Musikmarktes und damit des Musikprozesses selbst nieder, die den Programmformaten des kommerziellen Rundfunks kongruent ist. Begriffe wie Jazz, Rock- und Popmusik sowie deren zahlreiche Unterkategorien finden ihre jeweilige Entsprechung in Rundfunkformaten. Sie sind deshalb auch so unscharf, weil immer nur bedingt auf musikalische Sachverhalte zurückführbar. Darüber hinaus stehen sie für Marktsegmente, beschreiben also Ziel- und Konsumentengruppen, deren musikalische Bedürfnisse wie deren Kaufverhalten einer alles anderen als musikalischen Logik folgen. Unter den rundfunkspezifischen Programmstrategien zur Zielgruppenfixierung hatte ein 1935 von CBS eingeführtes hörergesteuertes musikalisches Wettbewerbsspiel besonders weitreichende Folgen. Die Sendung Your Hit Parade, gesponsert von der Brown and Williamson Tobacco Corporation und entwickelt für den Transport von Werbung für deren Marke Lucky Strike, wurde zur Urform der späteren Hitparaden und damit des Hit- und Starsystems, von dem die Musikindustrie bis heute lebt.

Noch ein weiteres technisches Medium sollte für die Entwicklungsprozesse der populären Musik eine ganz erhebliche Relevanz erhalten — der Tonfilm. Auch die Filmindustrie begann sich, nachdem das kommerzielle Potential des Tonfilms erst einmal erkannt war, in die Musikindustrie einzukaufen. Eine dieser damaligen Fusionen zwischen Film- und Plattenfirmen hat, wenn auch in veränderter Gestalt, bis heute überlebt — Warner Communications. Das Unternehmen, eines der größten der Medienbranche, ist aus dem Hollywood-Veteranen Warner Brother Motion Pictures hervorgegangen, der 1958 mit Einrichtung einer Schallplattenabteilung, Warner Brothers Records, in die Musikindustrie expandierte. Prince, Paul Simon und Madonna sind beispielsweise heutige Warner-Produkte. Warner Communications schließlich waren es auch, die 1979 durch die im joint venture mit American Express gegründete Warner Amex Satellite Entertainment Corporation (WASEC) das Zeitalter des Musikvideos einleiteten. Aus der Zusammenarbeit des kapitalkräftigen Kreditkartenunternehmens und des Mediengiganten ging 1981 Music Television: MTV hervor, der erste rund um die Uhr nur Musikvideos ausstrahlende Kabelfernsehkanal. Das Fernsehen hatte bis dahin zwar eine durchaus nicht unwichtige Rolle im Prozeß der Popularisierung von Musik gespielt, mitnichten jedoch eine konstitutive. Aus der Verbindung von Musik- und Filmindustrie dagegen ging in den dreißiger und vierziger Jahren der Filmschlager als ein eigenständiges musikalisches Genre der populären Musik hervor, das insbesondere von der parallelen Entwicklung des Swingstil im Jazz gespeist worden ist. Zwar hat danach dann auch der Film keine musikalisch prägende Rolle mehr gespielt, doch seine Funktion als Popularisierungsinstrument war noch für den Rock'n'Roll der fünfziger Jahre von entscheidender Bedeutung, dessen internationale Verbreitung hauptsächlich über einschlägige Musikfilme erfolgte. Allein Elvis Presley hat in über dreißig Filmen als Hauptdarsteller mitgewirkt.

Mit der Schallplatte im Zentrum entwickelte sich die Musikindustrie zum Teilbereich eines komplexen Medienverbundes, was in den achtziger Jahren folgerichtig in das Zusammenführen der populärsten Medien der Gegenwart — Film, Fernsehen und Musik — im Musikvideo mündete.

Als nicht minder folgenreich sollte sich auch die mit dem Medium Schallplatte durchsetzende ökonomische und juristische Form der Musikproduktion erweisen3. Mit dem Copyright Act des Jahres 1909, der zum Vorbild für alle nachfolgenden nationalen und internationalen Urheberrechts-Regelungen auf diesem Gebiet wurde, erfolgte in den USA erstmals eine verbindliche Rechtssetzung von Eigentums- und Urheberrechtsansprüchen für die mit der Schallplatte äußerst komplex gewordene Musikproduktion. Die Mechanicals genannten, weil die Ansprüche aus der mechanischen Reproduktion von Musik regelnden Tantiemen sicherten Urhebern wie Copyright-Haltern eine Beteiligung an den Einnahmen aus der mechanischen Reproduktion ihre Werke über das Medium Schallplatte zu. Damit sind nicht nur die Beziehungen zwischen Verlegern und Komponisten sowie den Schallplattenfirmen in einen verbindlichen rechtlichen Rahmen gebracht, sondern zugleich auch die Grundstrukturen der Ökonomie der Musikproduktion im zwanzigsten Jahrhundert gelegt worden. Auf dieser Grundlage und nach diesem Vorbild entstand um die Schallplatte herum ein Netz von Einnahmebeteiligungen, das die Musikentwicklung nun auch ökonomisch von diesem Medium abhängig werden ließ. Von besonderer Bedeutung erwiesen sich dabei die 1944, nach einem insgesamt zweijährigen Streik von der amerikanischen Musikergewerkschaft (American Federation of Musicians), durchgesetzten Royalties, die nun auch den aufführenden Musikern eine Einnahmebeteiligung an den von ihnen eingespielten Werken gewährten. Das änderte den ökonomischen Status des Musikers im Produktionsprozeß von Musik. Das Musizieren war ökonomisch nun dem Komponieren gleichgestellt, statt lediglich als einmalig vergütete Dienstleistung zu fungieren. In der Konsequenz dessen löste sich das hierarchisch gegliederte traditionelle Modell des Musizierens mit dem Komponisten an der Spitze allmählich auf, so daß Entwicklungen wie die Rockmusik möglich wurden; die kreativen Funktionen sind hier in einer Weise organisiert, die eine klare Trennlinie zwischen Autor/Urheber, ausführenden Musiker und technischen Produzenten nicht mehr zulassen. Mit zunehmender Globalisierung der Musikentwicklung und damit einer Zunahme des quantitativen Verbreitungsgrades von Musik haben die urheberrechtlichen Eigentumsansprüche ein solches ökonomisches Gewicht erhalten, daß sie schließlich die Schallplatte aus dem ökonomischen Zentrum des Musikprozesses verdrängten. Seit Beginn der achtziger Jahre werden mit der Verwertung diverser Rechte an Songs durch deren Lizensierung für Werbezwecke — entweder zum direkten Einsatz in Werbespots oder aber zur Nutzung für die indirekte Werbung — insgesamt erheblich höhere Umsätze realisiert als durch den Schallplattenverkauf. Diese alles andere als unproblematische Entwicklung hat aus dem über den kommerziellen Rundfunk hergestellten indirekten Zusammenhang zwischen Musikentwicklung und Konsumgüterwerbung, also auch Musikentwicklung und Konsumverhalten, nun einen direkten werden lassen. Popmusik repräsentiert in den achtziger Jahren nicht mehr nur eine Musikpraxis, sondern ein komplexes kulturelles System, in das die Medien ebenso einbezogen sind wie charakteristische Konsummuster. Aus der populären Musik wurde damit eines der zentralen kulturellen Reproduktionsmechanismen der modernen Industriegesellschaften.

Jazz

Die skizzierten sozialen, ökonomischen und technologischen Veränderungen in den Bedingungen des Musikprozesses bildeten eine unmittelbare Voraussetzung für Entstehung und Entwicklung des Jazz. Es war das Medium Schallplatte, das aus den lokal begrenzten Formen afroamerikanischer Musikpraxis den Jazz werden ließ. Die erste Schallplatte mit einer Formation, die den Begriff Jazz zur Kennzeichnung ihrer Musik benutzte (allerdings noch in der Schreibweise Jass), wurde im Januar 1917 in New York von Okeh Records, einem amerikanischen Ableger der deutschen Karl Lindström AG, produziert. Dabei handelte es sich um den Dixie Jass Band One Step mit dem Livery Stable Blues auf der Rückseite, eingespielt von der Original Dixieland Jass Band4. Bezeichnend ist, daß die Band ausschließlich aus weißen Musikern bestand, obwohl die Musik die sie spielten und überaus erfolgreich einem großen Publikum bekannt machten, eigentlich afroamerikanischer Herkunft ist. Wie kaum eine andere Form der populären Musik sollte der Jazz dann auch durch das spannungs- und konfliktreiche Verhältnis zwischen schwarzen und weißen kulturellen Traditionen in Nordamerika geprägt werden. Beide Kulturen haben in unterschiedlichem Maße und auf unterschiedliche Weise auf die Entwicklung des Jazz eingewirkt und in dieser Musik ihre Spuren hinterlassen.

Als der Jazz durch die Schallplattenaufnahmen der Original Dixieland Jass Band bekannt wurde, hatte er seine erste große Blütezeit schon fast wieder hinter sich. Die Entstehung dieser Musik umfaßt einen langen historischen Prozeß der allmählichen Auskristallisierung von musikalischen und stilistischen Eigentümlichkeiten aus der Tradition der afroamerikanischen Musik in den Südstaaten der USA5. Hauptsächlich zwei Musikformen begrenzen den Raum, aus dem heraus sich die unmittelbaren Vorläufer des Jazz entwickelt haben: Ragtime und Blues.

Der Ragtime kam als volkstümliche Praxis des Klavierspiels im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts unter den Wandermusikanten im mittleren Westen der USA auf6. Er war gekennzeichnet durch eine stark synkopierte (ragged) Spielweise des Klaviers die in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts von europäisch ausgebildeten Negerpianisten (Thomas Million Turpin, Scott Joplin, James Scott) zu einer komponierten und ausgesprochen virtuosen Form der Klaviermusik weiterentwickelt wurde. Für den sich herausbildenden Jazz spielten allerdings die improvisierte Ragtime-Praxis der Wandermusikanten sowie der Band-Ragtime, der in den Südstaaten der USA verbreitet war, eine weitaus größere Rolle. Die volksmusikalische, improvisierende Ragtime-Spielweise des Klaviers — in den zwanziger Jahren Ausgangspunkt vieler Jazzpianisten vor allem des sogenannten Harlem-Klavierstils — basierte auf dem Prinzip der melodischen Improvisation über einer feststehenden harmonischen Basis; eine Technik, die sich im Jazz dann wiederfinden sollte.

Bei den Ragtime-Bands handelte es sich um kleine Instrumentalformen, meist in der Besetzung Violine, Kornett, Banjo und Baß, die die solistische ragged-Spielweise der Pianisten mit der durchgängig synkopierten rhythmischen Gestaltung der Melodie auf das kollektive Ensemblespiel übertrugen. Aus dem Ragtime wurde hier ein universeller Improvisationsstil, gekennzeichnet durch die synkopische Umformung der Melodievorlage, der auch auf die Brass Bands der Afroamerikaner übergriff und sie zum Ragtime-Spiel ihres Repertoires — zumeist Märsche, Polkas und Quadrillen ursprünglich europäischer Herkunft — veranlaßte. Die Brass Bands waren ihrer Besetzung nach Blaskapellen, die durch den billigen Verkauf des Instrumentariums der Südstaatenarmee nach dem Ende des amerikanischen Sezessionskrieges 1861-1865 schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine verbreitete Form des afroamerikanischen Musizierens im Süden der USA darstellten, gegen Ende des Jahrhunderts aber durch die von dem Edisonschen Phonographen stimulierte Blasmusik-Mode einen ungemeinen Aufschwung erhielten. Mit ihrer Funktionsteilung der Instrumente in Melodie- und Rhythmusgruppe, in der Besetzung Kornett bzw. Trompete, Klarinette und Posaune als Melodieinstrumente, Tuba, große und kleine Trommel als Rhythmusinstrumente, sind sie als unmittelbare Vorläufer der Jazz-Bands anzusehen. Das Ragtime-Spiel hat mit der synkopischen Zerstückelung der melodischen Abläufe wesentlich die charakteristische Rhythmik des Jazz vorbereiten helfen.

Der Blues als eine der Hauptformen der afroamerikanischen Volksmusik ist als unbegleiteter Sologesang entstanden, dessen Wurzeln weit in die Zeit der Sklaverei, auf die worksongs, field hollers und die moan genannten Klagegesänge der Schwarzen zurückgehen7. Im Verlaufe seiner Entwicklung zu einer von Gitarre oder Banjo, später auch Piano beziehungsweise kleinen Instrumentalensembles begleiteten poetisch-musikalischen Ausdrucksform der Afroamerikaner bildeten sich formale Grundtypen heraus, die sowohl die textliche als auch die harmonische und melodische Gestaltung an feststehende strukturelle Abläufe banden, jedoch einen ungeheuren Reichtum an Varianten und regionalen Sonderformen aufwiesen. Der dem alten afrikanischen Ruf-Antwort-Prinzip (call and response) folgende formale Aufbau, im Verlauf der Entwicklung auf zwölf Takte zu je drei gleichlangen Phrasen mit einem charakteristischen Harmonieschema (T T T T7 S7 S7 T T D7 S7 T T) festgelegt, die an Zwischentönen und gutturalen Lauten reiche Tongebung und die indifferente, schwebende Intonation von dritter und siebenter Stufe der Tonleiter, die sogenannten blues notes, sind Elemente, die der Blues in den Jazz eingebracht hat.

Herausgebildet haben sich jene Musizierpraktiken, die später unter der Bezeichnung Jazz zusammengefaßt wurden, in den letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts zunächst als Straßenmusik in den Städten des Südens der USA. Nachweisbar ist die Jazz-Praxis in dieser Zeit neben New Orleans, das oft fälschlich als Geburtsort des Jazz angegeben wird8, zum Beispiel in Memphis, St. Louis, Kansas City, Nashville, Birmingham, Charleston, Jacksonville und Tampa, um nur einige Zentren dieser Entwicklung zu nennen9. Street- und Marching Bands beziehungsweise die schon erwähnten Brass Bands hatten hier vielfältige Funktionen im öffentlichen Leben des afroamerikanischen Gemeinwesens zu erfüllen. Sie begleiteten die Umzüge und Feiern, spielten auf Hochzeiten und Begräbnissen sowie zur allgemeinen Unterhaltung auf Straßen und Plätzen. In ihrer Musik verschmolzen sie die Eigenheiten afroamerikanischer Volksmusik in Spielweise, Timbre, Rhythmus und Intonation mit dem europäischen Repertoire der Blasmusik.

Das Zusammenspiel der Bands war durch eine einfache Funktionsteilung der Instrumente geregelt. Große Trommel, kleine Trommel und Tuba gaben den vom Marsch abgeleiteten Rhythmus vor, während Kornett, seltener Trompete, Posaune und Klarinette als Melodieinstrumente, in der Regel noch mehrfach besetzt, den homophonen Satzaufbau der nachgespielten Stücke linear auflösten, was eine an unfreiwilligen Dissonanzen reiche Heterophonie ergab. In Ragtime-Manier wurde die Melodie synkopisch gegen den Grundschlag gespielt und so die strenge Marschrhythmik mit ihrer 1-3-Betonung allmählich aufgehoben. Die Melodieakzente fielen in dieser Spielweise nicht nur auf die eigentlich leichten Taktteile, sondern auch zwischen die metrischen Grundschläge, was die Off-beat-Akzentuierung der späteren Jazzrhythmik vorbereitete10. In den zwanziger Jahren führte das zur vollständigen Auflösung des Taktmetrums mit seiner regelmäßigen inneren Akzentverteilung. An dessen Stelle trat ein gleichmäßiger pulsierender beat oder auch pulse als metrische Grundeinheit und Tempovorgabe, während die Akzentverteilung sich nun aus dem Wechsel des Spielens auf dem beat (on beat) — das heißt aus dem Zusammenfallen von Melodiebetonung und metrischer Grundeinheit — und gegen den beat (off beat) — das heißt mit einer Melodiebetonung zwischen den metrischen Grundeinheiten — ergab. Der Übergang vom Taktmetrum zum beat vollzog sich über eine Zwischenstufe, die für die ersten Jazzformen charakteristisch ist und als two beat bezeichnet wird. Dabei sind die vier Grundschläge des Taktmetrums, wie es vom Marsch mit seinem 4/4-Takt übernommen wurde, auf die verschiedenen Instrumente der Rhythmusgruppe aufgeteilt und in zwei selbständige Vorgänge zerlegt. Sie bestehen jeweils aus beat und after beat, so daß große Trommel und Tuba immer die erste und dritte Zählzeit des Taktes betonen, die dadurch in einen beat umgewandelt werden, also als selbständige, gleichmäßig durchlaufende Schlagfolge aufgefaßt sind, wogegen die kleine Trommel in gleicher Weise mit der Betonung der zweiten und vierten Zählzeit den after beat schlägt. Diese Spielweise ist im Resultat zwar weitgehend identisch mit dem regulären 4/4-Takt, aber die Auffassung der metrischen Grundschläge im Takt hat sich verändert. Ihre Betonung erfolgt nicht mehr wechselnd nach der Position im Takt, sondern für den ausführenden Musiker als gleichmäßiges Pulsieren — große Trommel und Tuba immer auf der ersten und dritten Zählzeit, kleine Trommel mit ebensolcher Regelhaftigkeit immer auf der zweiten und vierten Zählzeit als Nachschlag zum beat. Damit wurde vom linearen Aufbau des Metrums mit einer festliegenden Folge von betonten und unbetonten Grundschlägen zu einer additiven Rhythmik über gleichmäßig betonten metrischen Grundeinheiten übergegangen, auch wenn im Ergebnis zunächst noch die 1-3-Betonung des Taktmetrums erhalten blieb. Trotzdem hat auch das schon eine größere rhythmische Variabilität der Melodiestimmen ermöglicht, sind diese doch nun von der starren positionellen Akzentverteilung des Taktmetrums befreit, erscheinen Melodieakzente zwischen den Grundschlägen oder auf den sogenannten leichten Taktteilen nun nicht mehr als Irregularität. Damit war nicht nur der entscheidende Schritt zur Herausbildung der Jazzrhythmik getan, sondern zugleich ein musikalisches Strukturprinzip geschaffen worden, das zur Grundlage der populären Musikformen im zwanzigsten Jahrhundert werden sollte.

Einen großen Einfluß auf den Übergang vom Ragtime-Stil zum Jazz-Stil hatte die Entstehung der Tanzhallen Ende des 19. Jahrhunderts. Dort, wo die praktizierte Rassentrennung auch den Farbigen Zugang gewährte, musizierten die afroamerikanischen Brass Bands, die Straßenkapellen, in reduzierter Besetzung zum Tanz.

Das brachte zum einen, da hier im Sitzen gespielt werden konnte, die Zusammenlegung von großer und kleiner Trommel zum Schlagzeug, von einem einzelnen Musiker bedienbar, führte zum anderen, da die kleinere Zahl der Musiker auch kontrolliert aufeinander zu reagieren imstande war, zur Weiterentwicklung der linearen Heterophonie der Street und Marching Bands in ein kollektives Variationsverfahren. Dabei hatte in der auf drei Instrumente reduzierten Melodiesektion das Kornett — in den zwanziger Jahren von der Trompete abgelöst — die Lead(Führungs)-Stimme mit der Melodievorgabe, zu der Posaune und Klarinette kontrapunktierende melodische Varianten spielten, aus dem Stehgreif respondierend. Vor allem aber änderte sich in den Tanzhallen das Repertoire der Bands. Statt ausschließlich Marschmusik spielten sie hier im wesentlichen die gleiche Tanzmusik, die auch in den weißen Etablissements verbreitet war. Doch von den Jazz-Bands wurde sie hot gespielt. Gemeint war mit dieser Umschreibung der sich herausbildenden Jazzspielweise nicht nur der stark auf die Rhythmik hin angelegte Interpretationsstil, der durch das kontrapunktisch-respondierende Verhältnis der drei Melodiestimmen noch forciert wurde, sondern auch die absichtsvoll unsaubere Intonation (dirty tones), mit der eine an der Vokalstimme orientierte sinnliche Ausdruckskraft erzielt werden sollte. Die populären Lieder und Tänze europäischer Herkunft im Spielrepertoire brachten die auf die mehrteilige Liedform zurückgehende Songform (AABA) in den frühen Jazz, die neben dem Blues (AAB) eine seiner wichtigsten formalen Grundlagen geblieben ist. Die Adaption des Blues in diese Spielweise wird dem Kornettisten Buddy Bolden (1868-1931) zugeschrieben, dessen 1895 in New Orleans gegründete Band als erste eigentliche Jazz-Band gilt11, selbst wenn der Begriff dafür damals noch nicht existierte12.

Zu einem ersten Höhepunkt entwickelte sich der Jazz am Beginn des Jahrhunderts in New Orleans. Die von dem Ratsherrn Story 1897 durchgesetzte Legalisierung der Prostitution hatte hier ein Vergnügungsviertel entstehen lassen, den Red Light Disctrict, nach ihm auch Storyville genannt, dessen zwielichtigen Etablissements, Tanzhallen und Kneipen gerade den Jazzmusikern vielfältige Arbeitsmöglichkeiten boten13. Als besonderer ethnischer Faktor kam noch hinzu, daß in New Orleans Musiker kreolischer Herkunft, die eine den Weißen ähnliche, stark europäisch beeinflußte Kultur ausgebildet hatten, in den Jazzbands eine große Rolle spielten; mehr oder weniger zwangsläufig allerdings, denn sie wurden auf der Basis der Rassengesetzgebung von 1889 den Schwarzen gleichgestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt galten in der 1713 von den Franzosen gegründeten und nach französischem Recht verwalteten, erst 1803 an die USA gelangten Stadt die Nachkommen gemischtrassiger Eltern, die Kreolen, als Weiße. Der schlagartige Entzug dieses Status durch ein Gesetz aus dem Jahre 1889 verbot ihnen die Aufrechterhaltung eigener kultureller Institutionen und auch die weitere Mitwirkung in Einrichtungen der weißen Bevölkerung. So gerieten sie in die Jazz-Bands der Afroamerikaner und beeinflußten durch ihre europäische Spieltechnik — die meisten von ihnen hatten eine abgeschlossene Konservatoriumsausbildung hinter sich — nachhaltig deren Musik14. Im Unterschied die zu den afroamerikanischen, stark am Blues orientierten Pionieren des Jazz in New Orleans, wie etwa dem Kornettisten Bunk Johnson (1879-1949), dem Pianisten Jelly Roll Morton (1885-1941) und den Kornettisten Oscar Celestin (1884- 1954) und Joe King Oliver (1885-1938) blieben die kreolischen Musiker, wie etwa der Kornettist Freddie Keppard (1889-1933), der Posaunist Honore Dutrey (1870-1937) und die Klarinettisten Lorenzo Tio (um 1885-1933) und Alphonso Picou (1879-1961), in ihrer Spielweise noch stark der Ragtime-Tradition verhaftet. In New Orleans vollzog sich durch diese und eine Vielzahl namentlich nicht bekannter Musiker die stilistische Ausprägung des Jazz zu einem virtuosen und ausdrucksstarken Ensemblespiel. Rekonstruierbar ist diese erste große Blütezeit des Jazz freilich nur aus zeitgenössischen Berichten, den nachträglich aufgezeichneten Erinnerungen von Musikern und anhand der erst zwei Jahrzehnte später, ab 1922 mit Edward Kid Ory (1889-1973) und seinem damaligen Sunshine Orchestra einsetzenden Schallplattenaufnahmen von schwarzen New Orleans-Bands15.

Die Bezeichnung Jazz für diese Musik findet sich erstmals 1912 in einem Artikel des San Francisco Bulletin16 und wurde zunächst ausschließlich von weißen Musikern benutzt. Die afroamerikanischen Bands nannten ihre Musik weiterhin Ragtime oder aber Fake Music (abgeleitet von to fake = zurechtmachen), auch Circus Music beziehungsweise einfach Dixieland Music, nach einem volkstümlichen Ausdruck für den Süden der USA17. Herkunft und Bedeutung der Bezeichnung Jazz sind noch immer ungeklärt, obwohl mittlerweile eine ganz Reihe von Hypothesen hierzu vorliegen18. In den dreißiger Jahren waren es französische und belgische Autoren — die ersten, die sich ernsthaft mit dem Jazz auseinandersetzten —, die den Begriff New Orleans Jazz für den in diesem frühen Zentrum der Entwicklung ausgebildeten Stil einführten19.

Der New Orleans Jazz hatte durch die in den zwanziger Jahren einsetzenden Schallplattenproduktionen mit afroamerikanischen Bands noch eine zweite große Blütezeit; allerdings trotz des Namens nicht in New Orleans, sondern in Chicago, dem damaligen Sitz vieler Plattenfirmen20. Der Kornettist Joe King Oliver leitete hier in den zwanziger Jahren mit seiner Creole Jazz Band eine der wichtigsten Formationen ehemaliger New Orleans-Musiker, unter ihnen die Klarinettisten Jimmy Noone (1895-1944) und Johnny Dodds (1892-1940), dessen Bruder Warren Baby Doods (1889-1959) am Schlagzeug, Louis Armstrong (1900-1971), damals noch als Kornettist, und der Posaunist Edward Kid Ory, dessen Kompositionen Muskrat Ramble (1926) und Savoy Blues (1927) noch heute als Improvisationsvorlage gespielte Zeugnisse des New Orleans Jazz sind.

In Chicago bildete Louis Armstrong seine legendären Bands Hot Five und Hot Seven, gründete Jelly Roll Morton seine Red Hot Peppers und Johnny Dodds die berühmt gewordenen New Orleans Wanderers21.

Im Chicago der zwanziger Jahre — eine Zeit, für die später der Ausdruck Jazz Age geprägt worden ist22 — griffen auch weiße Musiker die Anregungen der farbigen Bands auf und entwickelten sie in eine neue Richtung weiter. Allerdings hatte der weiße Jazz damals bereits eine Tradition eigener Art ausgebildet. Der Schlagzeuger Jack Laine (1873-1966) begann mit seiner Reliance Brass Band und dann der Jack Laine's Ragtime Band schon etwa um 1895 die Spielweise der Farbigen zu kopieren. Er nannte seine Musik noch Ragtime, was sie eigentlich auch war, nur daß er die Stilmittel des schwarzen Jazz — vor allem die dirty tones und das heterophone Zusammenklangsprinzip — als äußere Effekte und musikalische Gags einsetzte23. Die 1916 von einem seiner Musiker, dem Kornettisten Nick LaRocca (1889-1961) gegründete und oben schon erwähnte Original Dixieland Jass Band hat dieses humorvoll karikierende Imitieren der farbigen Bands dann zur Perfektion gebracht. Dennoch galt die Band mit ihren Schallplattenaufnahmen lange Zeit als authentischer Repräsentant des originären Jazz. Die ab 1920 in Chicago von dem Trompeter Paul Mores (1900-1940) geleiteten New Orleans Rhythm Kings bemühten sich dagegen ernsthaft um den Jazz und kamen dem Jazzidiom der Afroamerikaner recht nahe. Diese weißen Bands nannten ihre Musik so, wie der Jazz anfangs oft generell bezeichnet worden war, nämlich Dixieland Music oder Dixieland Jazz: eine Bezeichnung die für solche weißen Kopien des originalen New Orleans Jazz erhalten blieb.

In Chicago entstand daraus in den zwanziger Jahren durch die erneute Berührung mit dem New Orleans-Stil über die inzwischen hier ansässigen New Orleans-Musiker eine Spielart des Jazz, für die der französische Jazzforscher Hugues Panassié später den Ausdruck Chicago Stil geprägt hat24. Dieser kann als der erste ernsthafte Versuch weißer Musiker gelten, anstelle der bloßen Kopie und des Nachspielens, einen eigenständigen Ausdrucks innerhalb des Jazzidioms zu finden. Eine große Rolle spielte dabei die 1922 an der Chicagoer Austin High School als Schüler-Band gegründete Austin High School Gang. Zu ihren Gründungsmitgliedern gehörten der spätere Kornettist und Trompeter Jimmy McPartland (geb. 1907), dessen Bruder Dick McPartland (1905-1957) als Gitarrist, Jim Lanigan (geb. 1902) am Klavier, Frank Teschemacher (1906-1932), Klarinette, und der Tenorsaxophonist Bud Freeman (geb. 1906). In den folgenden Jahren kamen dazu noch der später als King of Swing weltbekannt gewordene Benny Goodman (1909-1986), der Posaunist Floyd O'Brian (1904-1968), der Gitarrist Eddie Condon (1904-1973) und der Schlagzeuger Dave Tough (1908-1948). Sie alle gehörten zu den bedeutendsten Vertretern ihres Instruments und zu den wichtigsten stilbildenden Musikern im Jazz. Im Chicago der zwanziger Jahre begannen sie unter dem Einfluß der afroamerikanischen New Orleans-Bands sich ihre eigenen Ausdrucksformen im Jazz zu erschließen. So entwickelten sie die Solofolge, solistische Passagen in freier Stimmenerfindung, die nur von der Rhythmusgruppe begleitet werden und auf Frank Teschemacher zurückgehen sollen25. Damit trat des Miteinander des kollektiven Ensemblespiels zugunsten eines Nacheinander individueller Soli immer mehr in den Hintergrund, was die weitere Jazzentwicklung dann sehr nachhaltig beeinflussen sollte. Das respondierende Variationsverfahren des New Orleans Jazz wurde durch die echte Improvisation ersetzt, das heißt, statt der Orientierung am Melodieverlauf des Themas bildete jetzt dessen Harmonieschema die Grundlage, über das in den Soli neue melodische Abläufe improvisiert wurden. Die Solofolge brachte die Notwendigkeit einer vorherigen Vereinbarung des Grobablaufs mit sich, die sogenannten Head Arrangements. Die Melodiestimmen verloren ihre lineare Eigenständigkeit und wurden in Terz- oder Sextparallelen zueinander geführt; eine Vorstufe für den homophonen Satzaufbau des späteren Swing. Auch hielt das Tenorsaxophon nun seinen Einzug in den Jazz. Anstelle der im New Orleans Jazz noch häufigen Blues-Themen finden sich jetzt die Evergreens des Broadway, die popular tunes, als Improvisationsvorlage, die eine wesentliche komplexere Harmonik einbrachten. Um dem pulsierenden Rhythmusempfinden der schwarzen Bands möglichst nahe zu kommen, spielten die Musikern des Chicago Stils zumeist on beat. Das führte zur Gleichberechtigung von beat und after beat, also aller vier Grundschläge des two beat im New Orleans Stil, und diese four beat genannte Spielweise bedeutete einen wesentlichen Schritt weiter in Richtung auf die spezifische Rhythmik des Jazz. Mit all dem vollzog sich langsam auch eine Umwertung dieser Musikpraxis. Ihre Individualisierung im Solo, die hierfür sich ausbildende spieltechnische Virtuosität und, damit verbunden, das Moment der Selbstdarstellung des Solisten lösten sie allmählich aus der festen funktionalen Bindung als Tanzmusik. Jazz wurde nun auch um seiner selbst willen gespielt und so vom Publikum akzeptiert. Das sich im Zusammenhang damit herausbildende künstlerische Selbstbewußtsein der Jazzmusiker war vor allem mit dem Namen des Kornettisten Bix Beiderbecke (1903-1933) verbunden, der zu den ersten großen Solisten des Jazz gehörte. Seine 1923 gegründeten Wolverines spielten im Jahr darauf mit dem Riverboat Shuffle (1924)26 auch die erste Aufnahme im Chicago-Stil ein27. Obwohl in Chicago entstanden, entfaltete sich der Chicago Stil in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre dann in New York, das in dieser Zeit zum Zentrum der Jazzentwicklung avancierte28.

Die Weltwirtschaftskrise des Jahre 1929 bis 1932 brachte den Jazz erst einmal weitgehend zum Erliegen. Die massenweise Schließung von Lokalen, Ballrooms und Dance Halls als Folge der wirtschaftlichen Depression entzog den Musikern ihre Auftrittsmöglichkeiten und auch die Zahl der Plattenproduktionen nahm sprunghaft ab29. Dafür bekam das Radio nun eine immer größere Bedeutung, denn es lieferte die musikalische Unterhaltung kostenlos frei Haus. Die Tanz- und Unterhaltungsorchester mit ihren Radio-Shows waren zeitweilig die einzige Möglichkeit, um sich als Musiker, sofern weißer Hautfarbe, über Wasser zu halten. Sie spielten zwar das von den Musikverlagen am Broadway kontrollierte mehr oder weniger seichte Songmaterial, aber die Art der Interpretation änderte sich mit der wachsenden Zahl ehemaliger Jazzmusiker in diesen Orchestern. So bildete sich eine Big Band-Version des Jazz heraus, die allerdings nicht ohne Vorbilder war. Schon in den zwanziger Jahren hatte es eine Reihe bemerkenswerter afroamerikanischer Jazz-Orchester gegeben, allen voran das 1923 von dem Pianisten Fletcher Henderson (1898-1952) gegründete Ensemble und das 1926 auf Big Band-Ausmaße gebrachte Kentucky Club Orchestra des Pianisten Duke Ellington (1898-1974). Sie standen Pate, als die für die kommerziellen Radio-Shows zusammengestellten Formationen die Praxis des Jazz-Musizierens aufzugreifen suchten. Das Spiel im großen Verband der Big Band und der Einfluß der zunächst hier abverlangten Unterhaltungsmusik-Standards brachte natürlich andere Voraussetzungen für eine am Jazz orientierte Spielweise mit sich. So trat an die Stelle des spontanen Aufeinanderreagierens das geschriebene Arrangement, denn anders war das Zusammenspiel bei einer größeren Zahl von Musikern — bis zu achtzehn Mann konnten die Big Bands umfassen — nicht zu organisieren. Hinter jeder erfolgreichen Band stand damit jetzt ein Arrangeur, die Ausdrucksmöglichkeiten der Musiker blieben auf die in das Arrangement eingebauten Soli beschränkt. Die durcharrangierten Stücke ließen dafür aber einen erheblichen Ausbau der harmonischen Basis zu, so daß jetzt immer kompliziertere Akkordfolgen mit spätromantisch-impressionistischen Einflüssen, chromatischen Vorhalts-, Durchgangs- und Wechselakkorden das musikalische Geschehen zu beherrschen begannen. Damit hat sich der homophone Satzaufbau, der sich schon im Chicago-Stil andeutete, endgültig durchgesetzt. Zum wohl wichtigsten Kennzeichen der neuen Spielweise wurde jedoch die immer größere Bedeutung des Off-beat-Spiels, das jetzt nicht mehr nur zur Ausdruckssteigerung an melodischen Höhepunkten, sondern, um die rhythmische Intensität des Jazz auch in der schwerfälligeren Big Band-Besetzung zu erhalten, durchgehend über ganze Melodiepassagen (Off-beat-Phrasierung) zur Anwendung kam. Die Musik erhielt so einen schwingenden Charakter, im Englischen Swing Music. Die hier zum Stilkriterium erhobenen Eigenschaft des swing findet sich jedoch auch schon in den vorhergehenden Jazz-Spielweisen und meint eine rhythmisch-dynamische Bewegungsform. Voraussetzung dafür war die im Chicagostil verbreitete gleichmäßige Betonung der metrischen Grundschläge, denn sie erst läßt tatsächlich eine von den europäischen Taktschwerpunkten völlig freie rhythmische Bewegung der Melodie zu. Um diese zum swingen zu bringen, werden in sie kleinere Notenwerte hineingefühlt und körperlich mitvollzogen, die aus der geradzahligen Unterteilung der metrischen Grundschläge entstehen und selbst wie ein beat, nur eben in schnellerem Tempo ablaufen und den Viertelbeat des Metrums überlagern30. Das ergibt subtile rhythmisch Verschiebungen gegenüber dem Metrum und komplexe rhythmische Spannungsverhältnisse im Melodieverlauf, obwohl exakt im Tempo gespielt wird. Ein im Swing-Stil dabei häufig eingesetztes Mittel ist die Triolierung, das heißt, daß die Abfolge zweier Achtel wie das erste und letzte Achtel einer Triole gespielt wird, in den Viertelnotenbeat Achteltriolen hineingefühlt sind. Die daraus erwachsenden minimalen Zeitverschiebungen in einer Achtelfolge nehmen ihr die starre metronomische Regelmäßigkeit und bringen sie so zum swingen. Das erfaßte auch den beat selbst, ohne daß sich deshalb am Viertelnotenverhältnis der Grundschläge etwas ändert. Doch macht es zumindest einen dynamischen Unterschied, ob der beat wie eine Folge gleichmäßig betonter Viertelnoten gespielt wird oder die metrischen Grundschläge als jeweils erstes Achtel einer Achteltriole aufgefaßt sind, auch wenn das tatsächlich gespielte Zeitmaß dabei gleich bleibt. Aus einer so erzeugten Verdichtung der metrisch-rhythmischen Spannungen ergibt sich in der Wirkung eine rhythmische Intensivierung des Zeitgefühls, was wie ein scheinbares Schnellerwerden des Tempos erlebt wird (drive). Notiert sind diese Vorgänge nicht, sondern sie bleiben dem Rhythmusgefühl des Musikers überlassen, der sie aus einer bestimmten Körperhaltung heraus vollzieht, ein Musizieren aus rhythmischen Körperbewegungen heraus, das selbst minimale rhythmisch-dynamische Veränderungen zuläßt.

Die erste Band dieses Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre entstandenen Stils war das Casa Loma Orchestra des Altsaxophonisten Glen Gray (1906-1963). Wirklich durchgesetzt hat er sich jedoch erst ab 1935 mit dem Orchester von Benny Goodman.

Zwischen Dezember 1934 und Mai 1935 bestritt die Goodman-Band im Rahmen einer Werbekampagne der National Biscuit Company für ihre Ritz Cracker wöchentlich eine einstündige Radio-Show, die landesweit über 53 Rundfunkstationen der NBC ausgestrahlt wurde. Dies sollte nicht nur das erste Beispiel für einen massiv von der Konsumgüterindustrie gesponserten Musikstil werden, sondern es löste eine regelrechte Swing-Euphorie aus, die sich von ähnlichen Erscheinungen im Zusammenhang mit Rock'n'Roll und Rockmusik kaum unterschied. Im Sog des Goodman-Erfolgs fanden noch eine Reihe anderer Bands fast schlagartig zu großer Popularität, die dann neben dem Goodman-Orchester zu den Hauptrepräsentanten des Swing-Stils gehörten: die Band des Klarinettisten Artie Shaw (geb. 1910), die 1940 die ersten Aufnahmen mit Streichern einspielte und diese Instrumentengruppe in den Jazz einführte, das Ensemble des Pianisten Earl Hines (1905-1983) und die Dorsey Brothers Band mit Glenn Miller (1904-1944) als Arrangeur.

Daß die künstlerischen Leiter in den Bands jetzt Instrumente vertraten, die im Jazz bisher nicht als Lead-Instrumente üblich waren, weist darauf hin, daß mit dem Swing-Stil sich die Funktionen einzelner Instrumente und Instrumentengruppen veränderten. So wurden im Swing nun alle Rhythmusinstrumente als vollwertige und gleichberechtigte Soloinstrumente behandelt, was insbesondere dem Klavier eine weitaus größere Bedeutung einbrachte. Die führende Rolle der Trompete oder noch des Kornetts ging an das Saxophon über und die Klarinette, bisher nur zur Ausführung der beantwortenden Zweitstimmen eingesetzt, findet sich jetzt auch als führendes Soloinstrument. Es entstand der Bläsersatz, der die Blasinstrumente wie einen einheitlichen, in sich geschlossenen und homogenen Klangkörper führt. Mit der E-Gitarre, dem Vibraphon und dem Xylophon kamen neue Melodieinstrumente hinzu. Immer deutlicher prägte sich im Swing auch der Doppelcharakter aus, den der Jazz inzwischen erhalten hatte. Swing war sowohl eine Tanzmusik, die insbesondere in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre in erheblichen Maße kommerzialisiert und so zu einer internationalen Erscheinung wurde, begleitet von einer Reihe wilder Swingtanzmoden. Aus den Big Bands lösten sich aber auch kleine Experimentalformationen heraus, Trios, Quartette und Combo-Besetzungen bis hin zu achtköpfigen Ensembles, die den klanglichen Möglichkeiten unterschiedlicher Instrumentalkombinationen nachgingen und die Ausdrucksmittel des Jazz auf der Grundlage des Swing-Stils zu erweitern suchten31. Mit dem Konzert der Goodman-Band vom Januar 1939 in der New Yorker Carnegie Hall eroberte sich der Swing schließlich sogar den bürgerlichen Konzertsaal32.

Ende der dreißiger Jahre begannen zwei bis dahin nur lokal entwickelte Spielweisen des Swing großen Einfluß auf seine Entwicklung zu nehmen, der Kansas City Stil und der Harlem Stil. In beiden Fällen handelte sich um afroamerikanische Spielweisen mit einem ausgeprägten Bluesbezug. Die im New Yorker Stadtteil Harlem entwickelte Spielart des Swing geht zurück auf einen in den zwanziger Jahren entstandenen, vom Ragtime abgeleiteten Klavierstil. Darin ist der four beat des Swing zusätzlich von einem die Nachschläge akzentuierenden two beat überlagert. In Verbindung mit der lässig-schleppenden Off-beat-Phrasierung der Melodieinstrumente ergibt das einen federnden Rhythmus, so als ob die Melodie von Akzent zu Akzent springe, was diesem Stil auch den Namen Harlem Jump eingebracht hat. Entwickelt worden ist er von den Chickasaw Syncopators des Saxophonisten Jimmie Lunceford (1902-1947) unter maßgeblicher Beteiligung seines Arrangeurs Sly Oliver (geb. 1910). Der Harlem Jump wurde in den vierzig Jahren zum Ausgangspunkt des Rhythm & Blues, einem unmittelbaren Vorläufer des Rock'n'Roll. Die Grundlagen des Kansas City Stils sind in der Band des Pianisten Bennie Moton (1894-1935) gelegt worden. Als er 1926 seine Formation zur Big Band erweiterte, ließ er die Soli nicht mehr nur von der Rhythmusgruppe begleiten, sondern gab den Melodieinstrumenten unisono oder im Satz gespielte feststehende und ostinat wiederholte melodisch-rhythmisch Phrasen zur Begleitung des Solisten, sogenannten Riffs. Count Basie (1904-1984), der die Band nach Motons Tod übernahm, hat diese Begleittechnik weiter ausgebaut und immer komplexere Riffbildungen ausprobiert. Auch die Rifftechnik wurde zu einer Grundlage der nachfolgenden Entwicklungsformen der populären Musik, zentrales musikalisch-strukturelles Bestandsstück sowohl des Rock'n'Roll als auch der Rockmusik33.

Ein recht jähes Ende fand die Entwicklung des Swing, der sich Ende der dreißiger Jahre zu einer alles in seinen Bann ziehenden internationalen Musikmode ausgewachsen hatte, durch den Eintritt der USA in den zweiten Weltkrieg. Einberufungen zum Militärdienst machten es unmöglich, die großen Ensembles zu halten. So lösten sich die Swing Bands schließlich eine nach der anderen auf. Es sollte das auch das Ende des Jazz als einer zentralen Form der populären Musik sein. Die Jazzmusiker gingen danach ihre eigenen Wege und beschränkten sich auf einen spezifischer Liebhaberkreis.

Die Ursachen hierfür sind vielfältig und lassen sich nicht auf einen einzelnen Faktor zurückführen. Die Expansionsbedürfnisse der Musikindustrie, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Teenager-Markt entdeckte, spielen hierfür ebenso eine Rolle wie etwa der Umstand, daß der Jazz mit dem Swing in eine Sackgasse der Entwicklung geraten war, die ihn in einen Widerspruch zu den sich wandelnden technischen und ökonomischen Existenzbedingungen der Musikkultur geführt hatte. Obwohl sich Herausbildung und Entwicklung des Jazz als einer ursprünglich schriftlosen Form von Musikpraxis gebunden an das Medium Schallplatte vollzogen hatte, gewann im Swing die traditionelle, auf die New Yorker Verlagsimperien gegründete Musikindustrie noch ein letztes Mal die Oberhand über den Entwicklungsprozeß der populären Musik. Aus dem Jazz war mit dem Big-Band-Swing eine weitgehend durcharrangierte, über das Copyright von den Musikverlagen kontrollierte Musikform geworden. Das löste scharfe Konflikte innerhalb der Musikindustrie aus, die 1939 die Rundfunkunternehmer veranlaßten, eine eigene, von den Musikverlegern und ihrer Lobby, der American Society for Composers, Authors and Publishers (ASCAP) unabhängige Verwertungsgesellschaft für musikalisches Copyright zu gründen, die Broadcast Music Inc. (BMI). Diese begann sich nicht nur vehement um die Verbreitung solchen Materials zu kümmern, an dem die großen Musikverlage keine Rechte hatten, was angesichts der Wirksamkeit des Rundfunks nicht ohne Folgen blieb. Zur Abwehr überhöhter Tantiemen- und Lizenzforderungen seitens der Musikverlage organisierte sie einen langanhaltenden Rundfunkboykott der ASCAP. Der aber traf insbesondere den Swing und entzog dem Jazz eines der inzwischen wichtigsten Popularisierungsinstrumente. Zur gleichen Zeit geriet die Schallplattenindustrie unter den Druck der Musikergewerkschaft, die über einen Streik eine Einnahmebeteiligung sowohl am Schallplattenverkauf wie an den Werbeeinnahmen des Rundfunks auch für die ausführenden Musiker durchzusetzen suchte — nach über zweijähriger Streikdauer schließlich mit Erfolg. Die Schallplattenindustrie wich auf die von nichtprofessionellen Musikern getragenen volksmusikalischen Entwicklungsformen der populären Musik aus, womit bislang ignorierte musikalische Traditionen, insbesondere die euroamerikanische Country Music und der afroamerikanische Rhythm & Blues und in der Konsequenz dessen schließlich der Rock'n'Roll ins Zentrum ihrer Aktivitäten rückten34. Insgesamt hatte sich damit die Situation so gravierend verändert, das die nach dem zweiten Weltkrieg einsetzenden Wiederbelebungsversuche des Swing zwangsläufig zum Scheitern verurteilt waren. Die Jazzentwicklung erfuhr von diesem Zeitpunkt ab einen tiefgehenden Wandel.

Die als Modern Jazz bekannt gewordene Nachkriegsentwicklung35 stand ganz im Zeichen einer künstlerischen Erneuerung des Jazz, die sich aus politischen wie künstlerischen Motiven gegen jede Vereinnahmung durch die Mechanismen des Musikgeschäfts zur Wehr setzte und aus dem Jazz eine Musikpraxis werden ließ, die sich an ein im wachsenden Maße spezialisiertes Publikum wandte. Das schuf Freiräume, in denen ein experimenteller Umgang mit den Musizierprinzipien des Jazz möglich wurde, bis hin zur ihrer Auflösung in einem radikal individualisierten künstlerischen Ausdruck, wie ihn seit den sechziger Jahren der Free Jazz verkörpert. Jazz begann eine wachsende Rolle in der politischen Emanzipationsbewegung der Afroamerikaner zu spielen, die die Suche nach neuen musikalischen Ausdrucksmitteln mit dem Anspruch auf kulturelle Emanzipation, auf Artikulation einer eigenen schwarzen Identität verbanden. Rasante Tempi, rasche und komplizierte Harmoniewechsel, eine enorme Erweiterung der harmonischen Gestaltungsmittel, überraschende Intervallsprünge, asymmetrische melodische Konstruktionen, komplexe Überlagerung verschiedenen rhythmischer Ebenen und die Wahl ausgefallener musikalischer Themen kennzeichneten den frühen Modern Jazz (Bebop) und legten den Grundstein für eine Entwicklung, die das Musizieren nach und nach von allen formalen Vorgaben und Verbindlichkeiten emanzipierte.

Jazz siedelte sich im Grenzbereich der verschiedenen Avantgarden der musikalischen Moderne an und löste sich damit völlig aus dem Entwicklungszusammenhang der populären Musik. Das allerdings schließt gelegentliche Berührungspunkte mit den parallelen Entwicklungen vor allem der Rockmusik und Zwischenformen an den Randbereichen nicht aus. Die britischen Gruppen Soft Machine und Graham Bond Organisation sind ebenso wie die verschiedenen Bands um den amerikanischen Gitarristen Frank Zappa (geb. 1940) Beispiele für solche Entwicklungen, die als Rock- und Jazzavantgarde gleichermaßen akzeptiert waren. Auf einer etwas anderen Linie liegen die verschiedenen Synthesebemühungen, die sich um die Wende zu den siebziger Jahren sowohl im Rock- wie im Jazzbereich zeitweilig großer Popularität erfreuten. Was die Rockmusik anbelangt, so reduzierte sich die unter Jazz Rock firmierende Amalgation von Jazz und Rockmusik mehr oder weniger auf den effektvollen Einsatz von Bläsergruppen (z.B. Chicago, Blood Sweat & Tears, Colloseum). Die von Jazzmusikern wie dem Trompeter Miles Davis (geb. 1926) und dem Gitarristen John McLaughlin (geb. 1942) vorangetriebene und als Fusion Music bzw. Rock Jazz bekannt gewordene Integration von Rockelementen in den Jazz war dagegen von dem Bemühen getragen, den Jazz durch rockspezifische Ausdrucksmittel zu erweitern, ohne deshalb aber die künstlerische Identität des Jazz in Frage zu stellen. Auch zur Popmusik hat es kurzzeitig eine Querverbindung gegeben. Pop Jazz oder auch New Jazz nannte sich eine 1983/84 von England ausgehende Renaissance von Jazzspielweisen aus den dreißiger und vierziger Jahren, die durch die Wiederveröffentlichung der entsprechenden Aufnahmen auf Compact Disc ausgelöst wurde. Sade Adu (geb. 1959), Alison Moyet (geb. 1961), Phil Collins (geb. 1951) sowie Gruppen Matt Bianco und Eurhythmics verhalfen dieser Musik Mitte der achtziger Jahre zu einem außerordentlichen internationalen Erfolg.

Rock

Die Entwicklung der Rockmusik ging in den fünfziger Jahren mit dem Rock'n'Roll von den USA aus, auch wenn sie dann zu Beginn der sechziger Jahre zunächst in Großbritannien, mit der Durchsetzung neuer Produktionsweisen von Musik und der Herausbildung eines neuen kulturellen Rezeptions- und Aneignungszusammenhangs, zum Tragen kam. Mit der vorangegangenen Jazzentwicklung sind Rock'n'Roll und Rockmusik viel enger verbunden als dies das Selbstverständnis ihrer Protagonisten, die sich gern als Initiatoren einer musikalischen Revolution36 feiern ließen, glauben machen will. Spielweise und Musiziertechnik des Rock'n'Roll sind im Prinzip im Jazz schon voll ausgebildet gewesen. Swing-Derivate wie der afroamerikanische Harlem-Stil, der als Rhythm & Blues in den vierziger Jahren seinen Einzug in die Tanzlokale hielt, oder der vor allem im mittleren Westen der USA verbreitete Western Swing, der den Swing mit Einflüssen aus der euroamerikanischen Country Music verband37, sind musikalisch vom Rock'n'Roll nicht unterscheidbar. Die übergroße Mehrheit der Rock'n'Roll-Stars der fünfziger Jahre kam dann auch aus einer dieser beiden Traditionslinien. Bill Haley (1927-1981) etwa hatte seit 1944 mit seiner Band The Four Aces of Western Swing schon eine Schallplattenkarriere hinter sich (u.a.Candy Kisses38, 1948; My Sweet Little Girl From Nevada39, 1948) bevor er 1955 mit Rock Around the Clock40 zum Rock'n'Roll-Star wurde. Afroamerikanischen Musiker wie Fats Domino (geb. 1928), Little Richard (geb. 1932) oder Chuck Berry (geb. 1931), die die Rock'n'Roll-Begeisterung zu Weltstars machte, arbeiteten davor als Rhythm & Blues-Musiker.

Rock'n'Roll ist insgesamt in musikalischer Hinsicht nichts anderes als ein Sammelsurium von Spielweisen und Stilformen gewesen, die in den USA schon lange einen festen Platz unter den populären Musikformen innehatten.41 Neu war, daß sie mit den Teenagern aus den weißen Mittelschichten auf ein Publikum trafen, das mit diesen musikalischen und kulturellen Traditionslinien zuvor keinerlei Berührung hatte und, wichtiger noch, als eine Käufergruppe mit eigenständigen Ansprüchen ein Novum darstellte. Insofern war der Rock'n'Roll die erste Form der populären Musik, die ihre Existenz den durch die Technologieentwicklung veränderten Bedingungen der Musikproduktion und -verbreitung verdankte, denn erst das ermöglichte den Kontakt Jugendlicher zu jenen Musikformen, die dann als Rock'n'Roll bekannt wurden42.

Afroamerikanische Rhythm & Blues-Produktionen fanden seit Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre ebenso wie die rauhen Country-Balladen aus dem Süden und mittleren Westen der USA in den Jugendlichen an den High Schools und Colleges überraschend ein begeistertes Publikum. Diese auffällige Identifikation mit Musikformen, die den unteren sozialen Rand der amerikanischen Gesellschaft repräsentierten, lag in der sozialen Situation der amerikanischen Nachkriegsjugend begründet. Diese Generation wuchs in einer Atmosphäre materiellen Wohlstands auf, denn die Kriegsproduktion bis 1945 hatte die gesamte amerikanische Wirtschaft in eine Phase stabiler Prosperität geführt. Einmal erreicht, offenbarte dieser Wohlstand nun auch seine Schattenseiten; Sinndefizite, gegen die zunächst die intellektuelle Jugend mit Ausbildung einer alternativen Lebensform zu rebellieren suchte — die im Umfeld des Bebop entstandenen Bopper. Bei den Teenagern der breiten amerikanischen Mittelschichten reduzierte sich die gleiche Rebellion dann zwar auf einen provokanten Demonstrativkonsum, der aber um so wirksamer, weil nicht ausgrenzbar war. Afroamerikanischer Rhythm & Blues und die als roh und unzivilisiert geltende Country Music signalisierten eine Verweigerung von Grundwerten des American way of life, auf die die Gesellschaft mit äußerster Empfindlichkeit reagierte, zumal der Bezug auf Musik und Kultur der Schwarzen auch noch ein überaus brisantes Tabu verletzte — die Rassentrennung. Jugend war zum gesellschaftlichen Problem geworden und daraus bezogen ihre kulturellen Verhaltensweisen eine gesellschaftspolitische Relevanz, die sie für sich genommen gar nicht besaßen.

Die Musikindustrie reagierte auf diese Situation damit, daß sie Songs aus dem Country- oder Rhythm & Blues-Bereich, nun eigens für den neu entdeckten Teenager-Markt zunächst mit etablierten weißen Interpreten noch einmal nachproduzierte.43 Auch die Karriere von Elvis Presley (1935-1977) ist symptomatisch dafür.

All seine frühen Single-Veröffentlichungen enthalten je einen Rhythm & Blues-Song, kombiniert mit einem Song aus dem Country-Bereich. Zum Star wurde er mit einer Einspielung von Hound Dog44 (1956); ein Titel, der drei Jahre zuvor von der afroamerikanischen Rhythm & Blues-Sängerin Willie Mae Thornton (1926-1984) bekannt gemacht worden war45. Mit Chuck Berrys Maybellene46 (1955) behaupteten sich ab Mitte der fünfziger Jahre dann schließlich, trotz vehementer Proteste in der amerikanischen Öffentlichkeit, auch die afroamerikanischen Originalinterpreten auf dem Schallplattenmarkt. Dabei erweiterte sich das Sammelsurium aus Spielweisen und Stilformen noch um vom Gospel beeinflußte Vokalgruppen. Der Begriff Rock'n'Roll dafür wird dem Radio-Discjockey Alan Freed (1922-1965) zugeschrieben47, der 1953 seiner Musiksendung mit einer insbesondere auf Rhythm & Blues-Songs begründeten Programm-Konzept den Namen The Moon Dog Rock and Roll House Party gab. Die Musikindustrie griff diesen Begriff zur Bezeichnung des Teenager-Marktes dann auf.

Obwohl Rock'n'Roll damit nichts anderes darstellt als ein überaus heterogenes Konglomerat unterschiedlichster Spielweisen und Stilformen aus dem reichen Repertoire der populären Musik der USA, verbindet er sich mit einer Reihe von soziologischen, technologischen und ökonomischen Veränderungen des Musikprozesses, die für die weitere Entwicklung einen entscheidenden Stellenwert erhielten. Am weitreichendsten war ohne Zweifel die Entdeckung Jugendlicher als Konsumentengruppe mit gesellschaftlich und sozial bedingten eigenständigen musikalischen und kulturellen Bedürfnissen sowie einem Kaufkraftpotential, das immense Wachstumsraten in der Schallplattenproduktion zuließ und damit die Herausbildung einer in wachsendem Maße internationalisierten Musikindustrie erst ermöglichte48. Voraussetzung dafür war freilich die Einführung der billigen Single-Schallplatte sowie die Entwicklung des Kofferradios; beides Faktoren, die Jugendlichen einen eigenen Medienzugang erlaubten. Ferner wurden mit dem Rock'n'Roll der kommerziellen Musikproduktion musikalische Traditionen erschlossen, die schriftlosen Charakters waren und im Studio nun mit dem zu dieser Zeit eingeführten viel flexibleren Tonband auf dafür optimale technologische Bedingungen trafen. Das Musizieren, da nicht durch schriftliche Vorgaben auf eine bestimmte Struktur festgelegt, konnte den technischen Bedingungen der Studioproduktion angepaßt und damit insbesondere die klanglichen Differenzierungsmöglichkeiten der Aufnahmetechnik voll erschlossen werden. In der Konsequenz dessen erhielt der Produzent als Mittler zwischen den Musikern und dem technischen Studiopersonal nun einen immer entscheidenderen Stellenwert, so etwa das hinter dem Erfolg von Elvis Presley stehende Produzententeam Jerry Leiber (geb. 1933) und Mike Stoller (geb. 1931) oder Phil Spector (geb. 1940), der zunächst mit Produktionen für die Ronnettes und die Chrystals, später mit nahezu allem, was Rang und Namen hatte, die kreative Seite der Funktion des Produzenten maßgeblich prägte. Vor allem aber änderte sich mit demRock'n'Roll die Marketing-Methoden der Industrie, realisierten sich jetzt im Medienverbund, der mit Teenager-Magazinen die Printmedien ebenso einbegriff wie Fernsehen und Film. Rock'n'Roll war nicht allein Musik, sondern er wurde in einen eigenen Kontext aus Mode, Freizeitritualen und einer generationsspezifischen Lebensweise gestellt49.

Für die weltweite Verbreitung der Rock'n'Roll-Begeisterung sorgte in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre dann auch ein Film und keineswegs der direkte Export der Musik selbst. Der Filmvertrieb hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen Internationalisierungsgrad, wie ihn die Musikindustrie im Schallplattenvertrieb erst im Verlauf der sechziger Jahre erreichen sollte. The Blackboard Jungle (1955)50, ein Spielfilm, der Bill Haleys Rock Around the Clock als Vorspann-Musik verwendete, sorgte für die Ausbreitung der Rock'n'Roll-Begeisterung über die Welt. Besonders gravierend erwies sich seine Wirkung in Großbritannien, wo er auf eine ausgesprochene Empfindlichkeit gegen alle Tendenzen zu einer Amerikanisierung der britischen Kultur stieß. So kam es hier zu einer überaus heftigen Reaktion auf diesen Film und die in seinem Gefolge nach Großbritannien strömenden Musikimporte, was andererseits den Rock'n'Roll nachgerade prädestinierte, zu einem handlichen kulturellen Symbol in der Auseinandersetzung zwischen den Generationen zu werden51. Jugendliche wuchsen angesichts eines umfassenden Modernisierungsschubs nach dem zweiten Weltkrieg in eine Welt hinein, die mit dem Wertesystem ihrer Eltern nicht mehr kompatibel war. Das hat nicht nur ein vielschichtiges Konfliktpotential freigesetzt, sondern auch zu einer reichhaltigen, symbolischen Repräsentation solcher Konflikte geführt. Musik erwies sich in diesem Zusammenhang als ein besonders handliches, weil mit diversen Bedeutungen sehr weitgehend aufladbares kulturelles Symbol. Insofern ist es dann auch nicht verwunderlich, daß der in Großbritannien mit Vehemenz verfolgte Versuch, die britische Jugend den für schädlich gehaltenen Kultureinflüssen aus den USA zu entziehen, in eine breite Amateurmusikbewegung mündete, in der jugendliche Bands durch Nachspiel zu ersetzen suchten, was sie in britischen Medien vermißten. In der Besetzung mit drei Gitarren und Schlagzeug wurden die amerikanischen Rock'n'Roll-Songs, die vor allem über den kontinentaleuropäischen Sender Radio Luxemburg auch in Großbritannien Verbreitung fanden, nachgespielt und dabei den spieltechnischen und instrumentalen Möglichkeiten von Amateuren angepaßt. Aus diesem Anpassungsprozeß ist schließlich eine neue Musikform hervorgegangen, bezeichnet nach ihrem herausragenden Kennzeichen, dem Spielen auf dem beat52. Beatmusik war amerikanischer Rock'n'Roll, im wesentlichen die afroamerikanische Komponente aus diesem stilistischen Sammelsurium, reduziert auf den harmonisierten Melodieverlauf und die metrisch-rhythmische Grundstruktur: den Viertelnotenbeat. Der über den Swing in den Rhythm & Blues gelangte durchlaufende Achtelrhythmus in punktierter oder triolischer Phrasierung wurde der Einfachheit halber dabei allerdings wie der Viertelnotenbeat, nur eben im doppeltem Tempo gespielt (multi beat). Und auch die Vokalparts sind im leichter ausführbaren einstimmigen Gruppengesang ausgeführt worden, bei dem sich die Stimmen gegenseitig stützen konnten.

Mit den Beatles setzte die Professionalisierung der Beatmusik und ihre Ablösung von den amerikanischen Rhythm & Blues- und Rock'n'Roll-Standards ein. Schon ihre erste Langspielplatte, Please Please Me53 (1963) enthielt neben sechs Nachproduktionen amerikanischer Songs acht eigene, denen dann Titel wie She Loves You54 (1963), I Want to Hold Your Hand55 (1963), A Hard Day's Night56 (1964), Eight Days a Week57 (1964), Help58 (1965) und Yesterday59 (1965) folgten, die ihnen eine fast an Hysterie grenzende Popularität einbrachten. Ihre Lieder boten in der Art, wie sie das Alltags- und Selbstbewußtsein Jugendlicher spiegelten, ein ideales Identifikationsobjekt, das für das gleiche Denken und Fühlen dieser Generation einstand. Musikalisch haben sie es mit Unterstützung ihres an klassischer Musik geschulten Produzenten George Martin (geb. 1926) verstanden, das Musizieren auf dem beat zu einer eigenständigen stilistischen Konzeption auszubauen, die von einem erstaunlichen melodischen Einfallsreichtum und der Synthese verschiedenster Einflüsse aus nahezu allen Genres und Gattungen der Musik lebte60. So arbeiteten sie etwa in Yesterday (1965) und Eleanor Rigby61 (1966) mit einem klassischen Streichquartettsatz, ist in In My Life62 (1965) eine Bach-Paraphrase eingebaut, in Norwegian Wood63 (1965) die indische Sitar und in Piggies64 (1968) als Begleitinstrument ein Cembalo eingesetzt, finden sich in Michelle65 (1965) in doppeltem Kontrapunkt geführte Passagen. Immer aber ist diese Synthese musikalischer Materialformen unterschiedlichster Herkunft auf der Basis eines Musikverständnisses realisiert, das nicht in zu Chiffren gewordenen Strukturverläufen einer Werk-Tektonik sich auszudrücken sucht, die Entschlüsselung bedürfen und Verstehen voraussetzen. Vielmehr ist stattdessen die unmittelbar sinnliche Qualität von Klang (Sound) zum Auslöser von Assoziationsketten und Phantasien gemacht, die den gesamten Lebenszusammenhang ihres jugendlichen Publikum zu erfassen suchen. Von den Beatles ist das zu einer regelrechten Collage-Technik ausgebaut worden, in der sich die verschiedenen Stilebenen, oft auch im ironischen Zitat, hintergründig überlagern, diverse Geräuschmontagen (Strawberry Fields Forever66, 1968), Orchester-Cluster (A Day In the Life67, 1967) einmontiert sind. Bis zu ihrer formellen Auflösung gehörte diese Gruppe mit Langspielplatten wie Revolver68 (1966), Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band69 (1967) und dem sogenannten White Album70 (1968) zu den wichtigsten Innovatoren der Rockmusik.

Neben den Beatles sind es vor allem die Rolling Stones gewesen, die der frühen Rockmusik entscheidende Impulse gaben. Sie blieben im Unterschied zu den Beatles der Rhythm & Blues-Tradition verpflichtet, wobei sie mit Titeln wie The Last Time71 (1964) und vor allem I Can't Get No Satisfaction72 (1965) zu einer überaus aggressiven Auffassung dieser Musik fanden, die sie mit dem Gestus des Exzessiven, der ganz auf Schock und Bürgerschreck angelegt war, verbanden. In den nachfolgenden Langspielplatten — Aftermath73 (1966), Between the Buttons74 (1967), Beggars Banquet75 (1968), Sticky Fingers76 (1971) und Gimme Shelter77 (1972) — bauten sie diese Konzeption aus, ohne den Ausgangspunkt dabei zu verlassen. Ihre Musik blieb eine Reaktion auf Erfahrungen wie Angst, Depression, Frustration, Gewalt und Aggressivität, die sie aus der Haltung des Betroffenseins mit überlauten, hart akzentuierten Klangblöcken in Musik zu übersetzen suchten.

Die Beatles wie die Rolling Stones lösten mit ihren spektakulären Auftritten, den enormen Verkaufserfolgen ihrer Schallplatten, deren Gesamtauflage bei beiden weit über 300 Millionen liegt, eine Welle von Nachahmungen aus, aus der sich eine Reihe profilierter Gruppen und Musiker herauskristallisierten. Zu ihnen gehörten u.a. The Who (My Generation78, 1965) mit Pete Townshend (geb. 1954) als Sänger und Gitarrist sowie Autor der ersten Rock-Oper, Tommy79 (1970); The Kinks, die das schon von den Beatles angewandte Verfahren, Schallplatten als Songzyklus anzulegen (Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band, 1967), aufgriffen und aus der Schallplatte ein in sich geschlossenen Kunstwerk machten (Arthur or The Decline and Fall of the British Empire80, 1969); sowie Pink Floyd, die ab 1965 mit elektronischen Klangexperimenten wesentlich zur Ausbildung eines neuartigen, von den Möglichkeiten der elektronischen Wiedergabetechnik geprägten Klangbildes beigetragen haben (z.B. LP A Saucerful of Secrets81, 1968; LP The Dark Side of the Moon82, 1973).

Mit der britischen Beatmusik als der nach dem Rock'n'Roll zweiten Entwicklungsphase des Rock bildeten sich entscheidende Grundlagen der weiteren Musikentwicklung heraus. Das Medium Schallplatte war nun aus einem Instrument der Musikverbreitung zu einem integralen Bestandteil der Musik selbst geworden. Die mit diesem Medium verbundene Technologie der Musikproduktion wurde in Form aufwendiger elektroakustischer Wiedergabeanlagen transportabel gemacht, so daß im Live-Zusammenhang die gleichen technischen Möglichkeiten der Klangerzeugung und -manipulation wie im Studio zur Verfügung standen. Das Aufnahmestudio wandelte sich zum eigentlichen Ort der Musikentwicklung, die Live-Aufführung zur mehr oder weniger vollkommenen Reproduktion technisch produzierter Musik. Insgesamt bedeutete das nicht nur einen tiefgreifenden Umbruch der kulturellen Infrastruktur, die die Musikentwicklung trägt, geriet damit doch das gesamte Netz musikkultureller Institutionen in ökonomische Abhängigkeit von den Schallplattenfirmen. In dem Maße, wie sich die Kontrolle über die Musikentwicklung auf die Schallplattenfirmen verlagerte, prägte sich zugleich ein Widerspruchsverhältnis immer deutlicher aus, aus dem schon der amerikanische Rock'n'Roll seine Wirksamkeit bezogen hatte. Obwohl als ein kommerzielles Produkt der Kulturindustrie produziert und verbreitet, reklamierten Jugendliche diese Musik als ihr kulturelles Ausdrucksmedium83. Die gleiche Musik erhielt somit gleichsam eine doppelte kulturelle Existenzform — zum einen als Bestandteil des kulturindustriellen Zusammenhangs mit seinem Starsystem und den immer professioneller werdenden Vermarktungsstrategien; zum anderen aber als Bestandteil subkultureller Zusammenhänge, in denen Jugendliche jeweils eigene kulturelle Werte und Bedeutungen mit dieser Musik verbanden84. Ein Serie immer wieder neuer, einander ablösender jugendlicher Subkulturen begleitete die Entwicklung der Rockmusik — Teds, Mods, Rockers, Hippies, Punks85 usw. —, die sich so in Form eines permanenten Auseinandersetzungsprozesses um die in ihr zirkulierenden Werte und Bedeutungen vollzog. Besonders deutlich wurde das, als sich in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre der Schwerpunkt der Entwicklung wieder auf die USA verlagerte. Hier ist auch die Bezeichnung Rockmusik geprägt worden, abgeleitet von Rock'n'Roll-Musik.

In den USA bezog die Rockmusik ihre wesentliche Entwicklungsimpulse aus einem politisch-kulturellen Umfeld, das schon in den fünfziger Jahren an den Colleges und Universitäten des Landes entstanden war und im wesentlichen von aktualisierten Volksmusiktraditionen, der Folk Music gespeist wurde86. Insbesondere Bob Dylan (geb.1941), Joan Baez (geb. 1941) und Phil Ochs (1940-1976) hatten hier zur Entwicklung einer politischen Songkultur beigetragen, die Mitte der sechziger Jahre zunächst von Dylan (Like a Rolling Stone87, 1965), in seinem Gefolge dann von Gruppen wie The Byrds (Mr. Tambourine Man88, 1965), Crosby, Stills, Nash & Young (Woodstock89, 1970) und dem Duo Simon & Garfunkel (Sounds of Silence90, 1965; Bridge Over Troubled Water91, 1970) mit der aus Großbritannien importierten Musikpraxis verbunden wurde. Diese als Folk Rock92 bekannt gewordene Entwicklungslinie brachte eine Politisierung der Rockkultur mit sich, die sich in einer als politische Gegenkultur verstandenen jugendlichen Subkultur ausprägte — den Hippies. Bemerkenswert war daran die Ausbildung eigenständiger Organisationsformen des Musikprozesses, alternativer Agenturen, Tour- und Festivalorganisationen, sowie die Etablierung alternativer, unabhängiger (independent) Medien, Schallplattenlabels, Vertriebssysteme, Zeitungen und Zeitschriften, denn dies gab den zunächst nur über eine auffällige Gruppensymbolik (Haarstile, Kleidermoden usw.) herausgebildeten subkulturellen Zusammenhängen Jugendlicher eine Infrastruktur, die sich im weiteren Entwicklungsverlauf immer deutlicher ausprägte und schließlich in die von einem ganzen Netz solcher sogenannten Independent Institutions getragenen subkulturell geprägten, lokalen Musikszenen mündete. Vor allem an der amerikanischen Westküste, im Großraum von San Francisco verband sich das mit einem ausgesprochen experimentellen, nicht selten von Drogenerfahrungen gespeisten Musizieren (z.B. Grateful Dead, LP Anthem of the Sun93, 1968; Jefferson Airplane, LP Surrealistic Pillow94), das unter der Bezeichnung Psychedelic Rock firmierte. Die als subversiv verstandene kulturelle Identität der Afroamerikaner ließ hier nicht nur neue Querbezüge zu deren, inzwischen als Soul Music bezeichneten musikalischen Ausdrucksformen entstehen. Insbesondere Janis Joplin (1943-1970) wurde mit ihrer Version afroamerikanischer Soulmusik zu einer Leitfigur im Rock. Vielmehr konnten sich in diesem Kontext nun auch afroamerikanische Musiker selbst, wie etwa der Gitarrist Jimi Hendrix (1942-1970) oder der Sänger James Brown (geb. 1929) innerhalb der Rockkultur etablieren.

Insgesamt ging aus dieser Experimentierphase eine enorme Vielfalt an unterschiedlichen, zum Teil geradezu gegensätzlichen Musikauffassungen und Spielkonzeptionen hervor. So entwickelte die Gruppe MC5 zu den Polit-Slogans der Hippies das aggressive Konzept des Hard Rock (Kick Out the Jams95 1969), später als Heavy Metal bezeichnet und bis heute eine der populärsten Spielarten der Rockmusik. Aus den Experimenten mit Versatzstücken europäischer Kunstmusik schuf die in New York beheimatete Gruppe Vanilla Fudge (LP The Beat Goes On, Renaissance96, 1968) ein Stilkonzept, das als Classic Rock bekannt wurde und dann insbesondere von Bands wie Ekseption, Emerson, Lake & Palmer und Procol Harum mit der Adaption ganzer Werk-Vorlagen oder zumindest doch wiedererkennbarer Werkfragmente aus nahezu allen Phasen der Musikgeschichte weitergeführt worden ist. Ebenfalls aus dem Umfeld der Hippie-Kultur kam die mit verschiedenen Jazzeinflüssen experimentierende Gruppe Chicago (LP Chicago Transit Authority97, 1969), die damit den Anstoß zur Entwicklung des Jazz Rock gab. Damit sind lediglich die Hauptlinien der in der ersten Hälfte der siebziger Jahre sich breit auffächernden Rockentwicklung benannt98.

Die bereits angesprochene kulturelle Doppelexistenz des Rock erhielt im Verlauf dieser Entwicklung nun auch einen musikalischen Ausdruck, um so massiver, je weniger beide Ebenen noch durch gleiche Musik vermittelt werden konnten. Während auf dem nicht zuletzt durch die Rockmusik global gewordenen Schallplattenmarkt die Stars und Superstars des Musikgeschäfts Auflagen in mehrfacher Millionenhöhe realisierten und den Verlust ihrer sozialen Basis mit mehr oder weniger formalistischen Stil- und Materialsynthesen zu kompensieren suchten (Latin Rock, Jazz Rock, Country Rock, Art Rock usw.99), entstandenen in den subkulturellen Basiszusammenhängen eigene musikalische Ausdrucksformen, die an das Musik-zum-Selbermachen-Flair der Anfangsjahre anknüpften. Diese, später als Pub Rock bezeichnete Entwicklung, die auch musikalisch mit der Besetzung von drei Gitarren und Schlagzeug sowie dem Rückgriff auf einfache, überschaubare und klar gegliederte Songformen an die frühe britische Beatmusik anknüpfte, vollzog sich so lange unbemerkt von der Medienöffentlichkeit, bis die Plattenfirmen eine Stagnation der Umsatz- und Absatzzahlen registrierten. Als sie Mitte der siebziger Jahre auf diese Alternativentwicklung zu reagieren begannen, wurde mit dem britischen Punk Rock und der nachfolgenden New Wave die Geste der Verweigerung zum kommerziellen Kalkül. Eine aggressive Anti-Ästhetik mit einem herausfordernd ausgestellten Dilettantismus bestimmte, mit Gruppen wie den Sex Pistols (Anarchy in the U.K.100, 1977), den The Clash (Complete Control101, 1977) oder den Boomtown Rats (Do the Rat102, 1977) das Bild der Rockmusik bis Ende der siebziger Jahre.103

Mit Beginn der achtziger Jahre verlor sich in der Folge des Aufkommens neuer Medien wie Compact Disc und Musikvideo und den damit ausgelösten Veränderungen in den sozialen und ökonomische Existenzbedingungen der Musikentwicklung dann schließlich die Exklusivität, die die Rockmusik über zwei Jahrzehnte als die zentrale Form der populären Musik besessen hatte. Engagierte Independent Labels und lokale Musikszenen erwiesen sich fortan als die eigentlichen Heimstatt der Rockentwicklung, während die musikindustriellen Zusammenhänge einen immer globaleren Charakter erhielten. Zwar sind mit Musikern wie Bruce Springsteen (geb. 1949) oder John Cougar Mellencamp (geb. 1951), mit Bands wie U2 und, noch immer, den Rolling Stones, vor allem aber den unzähligen Heavy Metal Bands, die Rocktraditionen auch hier präsent, aber eben nur noch als eine Musikform neben anderen.

Popmusik

Als sich Anfang der achtziger Jahre in der Folge des vor allem durch die neuen Medien Compact Disc und Musikvideo insgesamt veränderten Produktions- und Verbreitungszusammenhangs für Musik eine deutliche Schwerpunktverlagerung in der Musikentwicklung abzuzeichnen begann, kam der Begriff Popmusik wieder zu Ehren, der als Abkürzung des englischen popular musicseit den frühen fünfziger Jahren im journalistischen Gebrauch ist und als generalisierender Oberbegriff für die vielfältigen Formen der populären Musikpraxis benutzt wurde. Obwohl damit denkbar ungeeignet, spezifische musikalische Entwicklungslinien auch nur mit einigermaßen Präzision abzubilden, geschweige denn genretypische Besonderheiten zu fixieren, trifft er dennoch das Wesen der Anfang der achtziger Jahre einsetzenden Entwicklung. Was im Kontext moderner High-Tech-Kultur und vor dem Hintergrund globaler Vermarktungsstrategien zum musikalischen Ausdruck der als postmodern apostrophierten Informationsgesellschaften wurde, ist nichts anderes als ein permanentes und umfassendes Recycling aller vorangegangen Entwicklungsformen der populären Musik, die auf der Basis computergesteuerter, digitalisierter Produktionstechnologien in immer wieder neuen Kombinationen synthetisiert, kombiniert oder einfach technisch hochgestylt werden. Insbesondere das als Sampling bezeichnete Produktionsverfahren, das Musik am Computerbildschirm edierbar macht, erlaubte ein nahezu grenzenloses Generieren neuer aus vorhandener Musik. Vordem sorgfältig getrennt voneinander gehaltene Entwicklungslinien der populären Musik liefen nun in den merkwürdigsten und eigenwilligsten Kreuzungen zusammen. Disco Music, Funk und Reggae fanden sich mit Punk, Hard und Heavy Metal Rock amalgamiert (z.B. Bush Tetras, Level 42, Clash). Dub, Rap, Hip Hop und House Music, die Disco-Kreationen aus den afroamerikanischen Gettos, kombinierten afroamerikanischen und karibische Musiktraditionen mit Rock- und Soulelementen (z.B. Grandmaster Flash, Afrika Bambaataa, Chip E.). Synthi Pop, New Romantics, New Pop, New Beat, Hi-NRG und Acid House bezeichneten in immer rascherer Abfolge einander ablösenden Derivate dieses High-Tech-Stilgemischs, das durch New Jazz, New Age und die als Ethno Pop firmierenden popmusikalischen Entwicklung aus den Ländern der Dritten Welt, Raï, Zouk, Mbala, usw. ergänzt wurde104. Zusammengehalten fanden sich diese äußerst disparaten Entwicklungen im Musikvideo, das als einheitlicher Präsentationsrahmen fungierte.

Die visuelle Präsentation von Musik hat seit den Kino-Kurzfilmen der dreißiger Jahre, die die populären Nummern der Swing Big Bands im Vorprogramm der Spielfilme präsentierten, eine eigene Geschichte, die dann insbesondere das Fernsehen mit seinen diversen Musiksendungen fortsetzte. Insofern brachten die Videoclips, in denen sich die Popmusik der achtziger Jahre präsentierte, nichts eigentlich Neues. Es waren die nach dem Vorbild des amerikanischen Music Television MTV in allen hochentwickelten Industrieländern entstandenen Kabelfernsehkanäle mit ihrer Rund-um-die-Uhr-Präsentation von Videoclips, die das Musikvideo zu einem zentralen Popularisierungsmedium werden ließen. Der Prototyp dieser Programmform, Music Television MTV in den USA, nahm am 1. August 1981 seinen Betrieb auf105. Istalliert worden war der Kabelkanal als Gemeinschaftsprojekt von Warner Communications und American Express, die dafür ein gemeinsames Tochterunternehmen schufen, die 1979 in Kooperation mit COMSAT, der Communications Satellite Corporation von RCA und I.T. & T., gegründete Warner Amex Satellite Entertainment Company (WASEC). Allein schon der illustre Kreis dieser weltumspannenden Firmenkonglomerate, die hier für die Etablierung eines neuen Musikmediums zusammenwirkten, läßt die ökonomische Größenordnung erahnen, die die populären Musikformen inzwischen realisierten. 1990 ging das MTV-Programm via Satellit in 55 Millionen amerikanische Haushalte, in die kanadischen Kabelnetze sowie seit August 1987 als MTV Europe über die Mirror Gruppe des britischen Großverlegers Robert Maxwell sowie British Telecom auch in die Kabelnetze von Westeuropa und Skandinavien. Insgesamt erreichte MTV 1990 annähernd 100 Millionen Haushalte106. Diverse nationale Ableger dieses Programmformats entstanden ab Mitte der achtziger Jahre in vielen Länder Westeuropas, in Kanada und Skandinavien. Wie kaum ein anderes Medium, von der Schallplatte abgesehen, hat das die Musikentwicklung verändert. Mit dem Musikvideo als dominantem Popularisierungsinstrument für Musik ist nicht nur schlechthin eine visuelle Ebene zur klanglichen hinzugekommen, sondern die Musikentwicklung vielmehr in neue soziale, ökonomische und kulturelle Zusammenhänge geraten. Kabelfernsehprojekte dieser Größenordnung sind mit einem immensen Kapitalaufwand verbunden und folgen somit naturgemäß einer eigenen ökonomischen Logik, die in finanzieller Hinsicht voll und ganz von der Konsumgüterwerbung abhängig ist. Als Verbreitungs- und Popularisierungsmedium für Musik ist Music Television durch deren Werbebedürfnisse und Zielgruppenorientierungen strukturiert worden und das blieb nicht ohne Folgen.

Damit verschob sich das soziale Koordinatensystem der Musikentwicklung. Statt an der Altersgruppe der etwa 14- bis 20jährigen, und hierin wiederum insbesondere die Arbeiterjugendlichen als größte soziale Gruppe, die über drei Jahrzehnte als aktivste Plattenkäufer im Zentrum der Bemühungen des Musikgeschäfts gestanden hatte, orientierte sich die Musikindustrie nun an den Musikbedürfnissen der 18- bis etwa 30jährigen vor allem aus den sozialen Mittelschichten, denn auf diese als die konsumfreudigste und -potenteste Bevölkerungsgruppe waren die von der Konsumgüterindustrie abhängigen Musikvideo-Kabelprogramme ausgerichtet. Damit aber begannen deutlich andere kulturelle Wertmuster als in den drei Jahrzehnten zuvor die Musikentwicklung zu dominieren107. An die Stelle der Konstruktion einer sozial spezifischen kulturellen Identität, wie sie für die jugendlichen Fankulturen um Rock'n'Roll und Rockmusik charakteristisch war, trat jetzt ein köperbezogenes Lustprinzip, das an explosiven Tanzrhythmen und synthetischen Klangstereotypen festgemacht war. Nicht zuletzt kam dieser Trend einer visuellen Präsentation im Musikvideo optimal entgegen.

Mit dem Musikvideo konkurrierten nun nicht mehr bloß die Songs oder musikalische und stilistische Konzeptionen, sondern in wachsendem Maße auch deren visuelle Erscheinungsbilder. Und eben das führte zu einem tiefen Umbruch in der Ästhetik der populären Musik, der sich in der Dominanzverlagerung auf die synthetischen Formen der Popmusik ausdrückte. Rock'n'Roll und Rockmusik, aber auch der Jazz, standen innerhalb eines diskursiven Bezugssystems, das an Persönlichkeit und Biographie des Musikers festgemacht, durch Verkaufsstrategien und Imagekonstruktionen bis zur Perfektion entwickelt war. Insbesondere die Rockmusik bezog von hier aus entscheidende Wertkriterien. Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit, Unmittelbarkeit usw. fungierten als ästhetische Schlüsselbegriffe für Authentizität. Musikerkarrieren waren auch seitens der Industrie langfristig angelegt und entfalteten sich von Album zu Album. Das Musikvideo hatte zwangsläufig eine Auflösung solcher relativ stabilen, persönlichkeitsbezogenen Imagekonstruktionen zur Folge. Die hier entwickelte perfektionistische Bilderwelt verlangte nach einem ständig wechselnden Image, nach dem raffinierten Spiel mit Persönlichkeitsbildern, um sich im endlosen Bilderstrom der einschlägigen Kabelfernsehprogramme behaupten zu können. Die Stars des Video-Zeitalters wie Madonna (geb. 1958) Cyndi Lauper (geb. 1953), Michael Jackson (geb. 1958) oder Prince (geb. 1958) treten in immer wieder neuen Rollen in Erscheinung, oftmals selbst noch innerhalb der Videoversionen einzelner Songs. Für die Musik bedeutete das einen tiefgehenden Umbruch der diskursiven Regeln, nach denen den Songs Sinn gegeben wird. An die Stelle ihrer Fundierung in der Persönlichkeit und Biographie des Musikers trat nun ihre Fundierung im Ritual der Berühmtheit, im Glamour des Starkults, in einem Medienkonstrukt also, das von der Persönlichkeit und Entwicklung des Musikers unabhängig ist, ihn aber dennoch im Mittelpunkt behält. Das Pop-Duo Milli Vanilli, das nach einem Zerwürfnis mit ihrem deutschen Produzenten Frank Farian (geb. 1946) 1990 offenbarte, ihren Hits nur Gesichts und Körper gegeben zu haben, gesungen worden waren sie von Studiomusikern, stellt nur die letzte und folgerichtige Konsequenz aus dieser Entwicklung dar. Die bis dahin die populären Musikformen tragende Personalisierung des Musizierens ist durch eine mediale Inszenierung von Musik ersetzt worden, die auf das nahezu unerschöpfliche Reservoir vorangegangener Medienerfahrungen zurückgreifen kann. Das starre Referenzsystem, in das die populären Musikformen eingebettet waren, löste sich hier in der endlosen Vielfalt der Bildassoziationen auf. Ihres ursprünglichen sozialen und kulturellen Kontextes auf diese Weise entkleidet, konnten die unterschiedlichsten Musikformen nun miteinander kombiniert, synthetisiert und amalgamiert werden. Was dabei entstand, war im Wortsinn eine globale Musikpraxis, eingebunden nicht mehr in lokalisierbare Kulturzusammenhänge mit jeweils eigenen Traditionen, sondern in die technologischen und ökonomischen Zusammenhänge der Telekommunikation.

Popmusik ist damit im Kern nichts anderes als eine technisch rekontextualisierte Musik und somit prinzipiell jede Musikform, die einen ökonomisch rentablen Verbreitungsgrad erreichen kann. Das macht es nahezu unmöglich, sie auf wie immer auch bestimmte musikalische Charakteristika festlegen zu wollen, selbst wenn sich seit der Etablierung von MTV aus dem rasanten Wechsel der Stilformen Fixpunkte abheben. Die aber bilden hier untereinander keinen Entwicklungszusammenhang, sondern treten vielmehr als medial inszenierte isolierte Einzelphänomene in Erscheinung.

Zu diesen Fixpunkten gehört der unmittelbar mit der Durchsetzung des Mediums Musikvideo Anfang der achtziger Jahre verbundene Synthi Pop108. Sein herausragendes Kennzeichen ist das durch Synthesizer, Sequenzer und Electronic Drums bestimmte Klangbild, in das sowohl Elemente der zeitgleich ablaufenden Entwicklung der New Wave, einer Nachfolgeentwicklung des Punk Rock, als auch der Disco Music aus der zweiten Hälfte der siebziger Jahre aufgenommen sind. Die sequenzer- und computergesteuerte mechanische Rhythmik dieser Musik, die sich mit den Namen von Gruppen wie Duran Duran, Frankie Goes To Hollywood, Bronski Beat oder Depeche Mode verband, erfreute sich nicht nur überaus großer Beliebtheit in den Diskotheken, sondern eignete sich vor allem optimal zu einer Kombination mit synchron gesteuerten Bildsequenzen.

Ein weiterer dieser Fixpunkte in den im hektischen Wechsel aufeinander folgenden Stilen und Stilsynthesen der Popmusik hat sich um die afroamerikanischen populären Musikformen herauskristallisiert. Die Disco Music der siebziger Jahre, weniger ein Musikstil als vielmehr eine aufnahmetechnische Klangschablone, wurde zum Ausgangspunkt dafür. In der Disco Music liefen ab Mitte der siebziger Jahren die verschiedenen Stränge der afroamerikanischen populären Musik zusammen. Eine Diskotheken-Renaissance, die von den farbigen Stadtvierteln der nordamerikanischen Großstädte ausging, stimulierte zur Produktion von Musik, die für diesen Gebrauchszusammenhang optimal geeignet war. So wurden die Titel in ein standardisiertes Zeitmaß gebracht, die den Discjockeys erlaubte, sie nahtlos ineinander zu blenden. Eine künstliche Tiefenbetonung sowie eine völlig hallfreie, trockene Aufnahme sorgte für eine optimale Präsenz des motorisch-gleichmäßigen Disco-Beat auch bei der Abstrahlung in großen Räumen. Abgehackte, springende Baßformeln, diverse Perkussionseffekte und ein elektronischer Streicherbackground erzeugten eine klanglich-rhythmische Gesamttextur, in der der floskelhafte Gesang eher im Hintergrund stand. Disco-Versionen konnten faktisch von jeder Art Musik hergestellt werden, was diese aufnahmetechnischen Klangschablone mit geringfügigen Modifikationen zu einem Standard der Popmusik werden ließ. Obwohl in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre auch in Europa mit großem Erfolg praktiziert (Boney M., Silver Convention, Abba), blieb dies vor allem eine Domäne der afroamerikanischen Musik, deren musikalische Traditionen sich in dieses Klangbild nahtlos einfügten. In den achtziger Jahren wurden Michael Jackson und Prince ebenso typische Vertreter wie Whitney Houston (geb. 1963) oder Tina Turner (geb. 1938), die jeweils andere Traditionen der afroamerikanischen Musik repräsentieren.

Eine weitere Konstante unter den als Popmusik firmierenden High-Tech-Derivaten der unterschiedlichsten populären Musiktraditionen stellen die eigens auf das Musikvideo zugeschnittenen Versionen des Heavy Metal Rock dar. Dieser aggressive Schwermetall-Rock erfreut sich seit seiner Entstehung Ende der sechziger, Anfang dersiebziger Jahre einer ungebrochenen Popularität. Mit der in aller Regel klassischen Besetzung von drei Gitarren und Schlagzeug sowie einer ausgeprägten Gruppenidentität widersetzte sich diese Musikform bislang allen ästhetischen und musikalischen Wandlungen. Die popmusikalische Version dieser Musikform, wie sie etwa von Gruppen wie Guns'n'Roses oder Bon Jovi vertreten wird, weist dann auch nur noch formale Gemeinsamkeiten mit dem Original auf. Insbesondere das Gruppenimage mußte in der Videoaufbereitung zugunsten des optisch wirksameren Starkonzepts weichen.

Damit jedoch sind lediglich Eckpunkte benannt, die allenfalls das Spektrum anzudeuten vermögen, das sich in der globalisierten Musikproduktion der Gegenwart realisiert. Weniger denn je sind dabei Trends oder gar Perspektiven auszumachen, in denen sich die Umrisse künftiger musikalischer Entwicklungen erkennen lassen.

Anmerkungen

1 Vgl. die entsprechenden Einträge in: Peter Wicke/Wieland Ziegenrücker, Rock-Pop-Folk-Jazz. Handbuch der populären Musik, Leipzig 1985. ( zurück)

2 Ausführlicher hierzu Peter Wicke, Rockmusik. Zur Ästhetik und Soziologie eines Massenmediums, Leipzig 21989.

3 Einen ausführlichen Überblick über diese bislang weithin unterschätzte Materie geben Sidney Shemel/William Krasilovsky, This Business of Music, New York 51985; zu den vielfältigen damit verbundenen Problemen vgl. insbesondere Donald E. Biederman/Robert C. Berry/Edward P. Pierson/Martin E. Silfen/Jeanne A. Glasser, Law and Business of the Entertainment Industries, Dover, Mass., 1987.

4 Die Aufnahmen konnte aus technischen Gründen allerdings nicht schnell genug veröffentlicht werden. Die Victor Talking Machine Company kam nur vier Wochen später mit einer Einspielung der gleichen Titel ihrer Konkurrenz schließlich zuvor, so daß die erste Jazz-Platte auf dem Victor Label erschien (Victor 18255; USA: 1917); vgl. hierzu auch H. O. Brunn, The Story of the Original Dixieland Jazz Band, Baton Rouge, La., 1960; sowie Brian Priestley, Jazz On Record, London 1988.

5 Vgl. hierzu insbesondere Henry A. Kmen, Music in New Orleans — The Formative Years 1791-1841, Baton Rouge 1966; ferner Alfons M. Dauer, Der Jazz. Seine Ursprünge und seine Entwicklung, Kassel 1977; sowie Gunther Schuller, Early Jazz. Its Roots and Musical Development, Oxford/New York 1968 — die noch immer besten Darstellungen der frühen Jazzgeschichte.

6 Ausführlicher hierzu Rudi Blesh/Harriet Janis, They All Played Ragtime, New York 1971; sowie William J. Schafer/Johannes Riedel, The Art of Ragtime, Baton Rouge, La, 1973.

7 Vgl. neben der klassisch gewordenen Arbeit von Paul Oliver, The Story of the Blues, London 1969, insbesondere William Barlow, 'Looking Up at Down'. The Emergence of Blues Culture, Philadelphia 1989.

8 Vgl. Arrigo Polillo, Jazz. Geschichte und Persönlichkeiten, München 1981, S. 60ff.

9 Eine ausführliche Darstellung der Entwicklung des Jazz in diesen Regionen findet sich bei Frank Tirro, Jazz. A History, New York 1977, S. 51ff; vgl. auch Dauer, a.a.O., S. 78.

10 Vgl. hierzu insbesondere Alfons M. Dauer, Traditionen afrikanischer Blasorchester und Entstehung des Jazz, Graz 1985.

11 Vgl. Gunther Schuller, a.a.O., S. 64ff.

12 Ausführlicher zu dieser Entwicklungsphase des Jazz vgl. insbes. William John Schafer, Brass Bands and New Orleans Jazz, Baton Rouge, La. 1977.

13 Vgl. Al Rose, Storyville — New Orleans, Alabama 1974.

14 Vgl. Carl Gregor Herzog zu Mecklenburg, Stilformen des Jazz, 1: Vom Ragtime zum Chicago Stil, Wien 1973, S. 60.

15 Eine vorzügliche Darstellung dieser Entwicklungsphase des Jazz haben Jack V. Buerkle und Danny Barker geliefert: Bourbon Street Black. The New Orleans Black Jazzmen, New York 1973.

16 Vgl. Frank Tirro a.a.O., S. 165.

17 Vgl. Carl Gregor Herzog zu Mecklenburg, a.a.O., S. 55.

18 Vgl. Alan Meeriam/Garner H. Fradley, Jazz — The Word, in: Ethnomusicology, 12/1968, S. 373 ff.

19 Vgl. Hugues Panassié, Le jazz hot, Paris 1934; Robert Goffin, Aux frontières du jazz, Paris 1932.

20 Vgl. insbesondere Michel Dorigné, Jazz I: Les origines du jazz, le style Nouvelle Orléans et ses prolongements, Paris 1968.

21 Vgl. Martin Williams, Jazz Masters of New Orleans, New York 1978; Frederick Turner, Remembering that Song. Encounters with the New Orleans Jazz Traditon, New York 1982.

22 Francis S. Fitzgerald, Tales of the Jazz Age, New York 1922; Arnold Shaw, The Jazz Age, New York 1987.

23 Ausführlicher vgl. Frank Tirro a.a.O., S. 151.

24 Vgl. Hugues Panassié a.a.O., S. 92.

25 Vgl. Eddie Condon, We Called It Music, London 1956, S. 22.

26 Wiederveröffentlicht als Bix Beiderbecke & His Wolverines, BYG/Archive of Jazz 529054, (Frankreich 1964).

27 Vgl. Frank Tirro, a.a.O., S. 213.

28 Vgl. Samuel B. Charters/Leonard Kunstadt, Jazz. A History of the New York Scene, New York 1981.

29 Vgl. zu dieser Entwicklungsphase insbsondere Klaus Kuhnke/ Manfred Miller/Peter Schulze, Geschichte der Pop-Musik, Bd.1, Bremen 1976, S. 346f.

30 Vgl. Carlo Bohländer, Jazz — Geschichte und Rhythmus, Mainz 1979, S. 15ff; sowie Carl Gregor Herzog zu Mecklenburg, Zur Theorie, in: Claus Schreiner, Jazz aktuell, Mainz 1968, S. 186ff.

31 Eine ausführliche Darstellung dieser Entwicklungsphase des Jazz gibt Gunther Schuller, The Swing Era, New York 1989.

32 Ausführlicher vgl. Manfred Miller, Die zweite Akkulturation. Ein musiksoziologischer Versuch zur Entstehung des Swing, in: jazzforschung/jazz research, 1/1969, S. 148 ff; sowie Stanley Dance, The World of Swing, New York 1974.

33 Ausführlicher vgl. Carlo Bohländer, Die Anatomie des Swing, Frankfurt/Main 1986.

34 Zu einer ausführlichen Darstellung der ASCAP-BMI-Auseinandersetzung und ihrer Folgen vgl. Russell Sanjek, American Popular Music and Its Business, Bd. 3: From 1900-1984, New York 1988.

35 Da es im vorliegenden Rahmen ausgeschlossen ist, dieser Entwicklung im einzelnen nachzugehen (vgl. auch die Ausführungen am Beginn dieses Kapitels), sei an dieser Stelle zumindest auf die hierzu vorliegende Standardliteratur verwiesen: Carl Gregor Herzog zu Mecklenburg, Stilformen des modernen Jazz, Baden-Baden 1979; Joachim-Ernst Berendt, Das große Jazzbuch, Frankfurt/Main 1989; Alun Morgan/Raymond Horricks, Modern Jazz, London 1956; Ekkehard Jost, Free Jazz, Mainz 1975.

36 Vgl. etwa Arnold Shaw, The Rock Revolution, London/New York 1969.

37 Vgl. Georg Hunkel, Western Swing und Country Jazz, Menden 1983.

38 Bill Haley and The Four Aces of Western Swing, Candy Kisses, Cowboy 1701 (USA 1948).

39 Bill Haley and The Four Aces of Western Swing, My Sweet Little Girl From Nevada. Cowboy 1701 (USA 1948).

40 Bill Haley, Rock Around the Clock, Decca 29124 (USA 1954).

41 Neben den schon genannten regionalen Tanzmusikformen der Country Music umfaßt der Rock'n'Roll eine Reihe von Bluesspielweisen, vgl. Charlie Gillett, The Sound of the City, London 1983.

42 Ausführlicher hierzu vgl. Peter Wicke, Rockmusik. Zur Ästhetik und Soziologie eines Massenmediums, Leipzig 1987.

43 Aus der lange Liste seien hier zum Beleg herausgegriffen: Perry Comos Ko Ko Mo (RCA 47-5994; USA 1955 — original Gene and Eunices [Imperial 12064; USA 1955]), Pat Boones Tutti Frutti (Dot 45-15443; USA 1956 — original Little Richard [Specialty 47442; USA 1955]), Bill Haley, Shake Rattle and Roll (Decca 29204, USA 1954 — original Joe Turner [Atlantic 45-1026; USA 1954]) usw..

44 Elvis Presley, Hound Dog, RCA-Victor 47-6604 (USA 1956).

45 Willie Mae Thornton, Hound Dog, Peacock 1612 (USA 1953).

46 Chuck Berry, Maybellene, Chess 1604 (USA 1955).

47 Vgl. etwa Carl Belz, The Story of Rock, New York 21972.

48 Aus der Vielzahl zeitgenössischer Arbeiten zu diesem Thema, überwiegend soziologische Beschreibungen der Konsumgewohnheiten, sei hier nur auf das zum Standardwerk gewordene Buch von Mark Abrams, The Teenage Cosumer, London 1959, verwiesen.

49 Ausführlicher Peter Wicke, a.a.O.

50 Regie: R. Brooks; dtsch.: Die Saat der Gewalt (Warner Columbia, USA 1954).

51 Vgl. Dick Hebdige, Towards a Cartography of Taste, in: B. Waites/T. Bennett/G. Martin (Hrsg.), Popular Culture. Past and Present, London 1982, S. 194ff.

52 Vgl. Jürgen Seuss/Gerold Dommermuth/Hans Maier, Beat in Liverpool, Frankfurt/Main 1965.

53 The Beatles, Please Please Me, EMI Electrola 1 C 062-04 219 (Großbritannien 1963).

54 The Beatles, She Loves You, EMI Electrola 1 C 006 04452 (Großbritannien 1963).

55 The Beatles, I Want to Hold Your Hand, EMI Electrola 1 C 006-04752 (Großbritannien 1963).

56 The Beatles, A Hard Day's Night, EMI Electrola 1 C 006-04466 (Großbritannien 1964).

57 The Beatles, Eight Days a Week, EMI Electrola 1 C 006-06111 (Großbritannien 1964).

58 The Beatles, Help, EMI Electrola 1 C 006-04456 (Großbritannien 1965).

59 The Beatles, Yesterday, EMI Electrola 1 C 006-06103 (Großbritannien 1965).

60 Zur musikalischen Entwicklung der Beatles vgl. insbesondere Terence J. O'Grady, The Beatles, Boston 1983, sowie Wilfried Mellers, Twilight of the Gods, London 1973.

61 The Beatles, Eleanor Rigby, EMI Electrola 1 C 006-04473 (Großbritannien 1966).

62 The Beatles, In My Life, LP: Rubber Soul, EMI Electrola 1 C 062-04115 (Großbritannien 1965).

63 The Beatles, Norwegian Wood, LP: Rubber Soul, EMI Electrola 1 C 062-04115 (Großbritannien 1965).

64 The Beatles, Piggies, LP: The Beatles [White Album], EMI Electrola 1 C 192-04173/74 (Großbritannien 1968).

65 The Beatles, Michelle, LP: Rubber Soul, EMI Electrola 1 C 062-04115 (Großbritannien 1965).

66 The Beatles, Strawberry Fields Forever, EMI Electrola 1 C 006-04475 (Großbritannien 1968).

67 The Beatles, A Day In the Life, LP: Sgt. Pepper,s Lonely Hearts Club Band, Parlophone PCS 7027 (Großbritannien 1967).

68 The Beatles, Revolver, EMI Electrola 1 C 062-04097 (Großbritannien 1966).

69 The Beatles, Sgt. Pepper,s Lonely Hearts Club Band, Parlophone PCS 7027 (Großbritannien 1967).

70 The Beatles, The Beatles [White Album], EMI Electrola 1 C 192-04173/74 (Großbritannien 1968).

71 The Rolling Stones, The Last Time, Decca F 12104 (Großbritannien 1964).

72 The Rolling Stones, (I Can't Get No) Satisfaction, Decca F 12220 (Großbritannien 1965).

73 Rolling Stones, Aftermath, Decca 6.21396 (Großbritannien 1966).

74 Rolling Stones, Between The Buttons, Decca 6.21399 (Großbritannien 1967).

75 Rolling Stones, Beggars Banquet, Decca 6.22157 (Großbritannien 1968).

76 Rolling Stones, Sticky Fingers, WEA COC 59100-U (USA 1971).

77 Rolling Stones, Gimme Shelter, Decca SKL 5101 (Großbritannien 1972).

78 The Who, My Generation, Brunswick 05944 (Großbritannien 1965).

79 The Who, Tommy, Polydor 2612 006 (Großbritannien 1969).

80 The Kinks, Arthur or The Decline and Fall of the British Empire, PRT Teldec 6.26677 BL (Großbritannien 1969).

81 Pink Floyd, A Saucerful of Secrets, EMI Columbia 6258 (Gorßbritannien 1968).

82 Pink Floyd, The Dark Side of the Moon, Harvest 11163 (Großbritannien 1973).

83 Vgl. hierzu insbesondere Simon Frith, The Sociology of Rock, London 1978; sowie ders., Jugendkultur und Rockmusik, Reinbek b. Hamburg 1981.

84 Ausführlicher hierzu vgl. Mike Brake, The Sociology of Youth Culture and Youth Subculture, London 1980.

85 Vgl. Mike Brake, Hippies and Skinheads, Phil. Diss. London School of Economics 1977; Paul Willis, 'Profane Culture', Frankfurt/Main 1981; Stanley Cohen, Folk Devils and Moral Panics, London 1972, sowie Peter Wicke, a.a.O..

86 Vgl. insbesondere R. Serge Denisoff, Great Day Coming, Baltimore 1971.

87 Bob Dylan, Like a Rolling Stone, Columbia 43346 (USA 1965).

88 The Byrds, Mr. Tambourine Man, Columbia 43271 (USA 1965).

89 Crosby, Stills, Nash & Young, Woodstock, Atlantic 2773 (USA 1970).

90 Simon & Garfunkel, The Sounds of Silence, Columbia 43396 (USA 1965).

91 Simon & Garfunkel, Bridge Over Troubled Water, Columbia 54079 (USA 1970).

92 Vgl. auch Dave Laing/Karl Dallas/Robin Denselow/Robert Shelton, The Electric Muse, London 1975.

93 Grateful Dead, Anthem of the Sun, Warner Bros. 1722 (USA 1968).

94 Jefferson Airplane, Surrealistic Pillow, RCA NL 83738 (USA 1979).

95 MC5, Kick Out the Jams, Elektra ELK 22022 (USA 1969).

96 Vanilla Fudge, The Beat Goes On, Renaissance, Atco SD-31384 (USA 1968).

97 Chicago, Chicago Transit Authority, Columbia 9619 (USA 1969).

98 Ausführlicher vgl. insbesondere Tibor Kneif (Hrsg.), Rock in den 70ern, Reinbek b. Hamburg 1980.

99 Vgl. auch die entsprechenden Eintragungen in: Peter Wicke/Wieland Ziegenrücker, a.a.O.

100 Sex Pistols, Anarchy In the UK, EMI 2506 (Großbritannien 1976).

101 The Clash, Complete Control, CBS 5664 (USA 1977).

102 Boomtown Rats, Do the Rat, ENY 9 (Großbritannien 1977).

103 Vgl. hierzu insbesondere Dave Laing, One Chord Wonders. Power and Meaning in Punk Rock, Milton Keynes/Philadelphia 1985.

104 Aus Platzgründen ist es unmöglich in vorliegendem Zusammenhang auf diese Entwicklungslinien im einzelnen einzugehen, ausführliche Erläuterungen finden sich in: Peter Wicke/Wieland Ziegenrücker, a.a.O.

105 Ausführlich dazu R. Serge Denisoff, Inside MTV, New Brunswick 1987.

106 Angaben nach Billboard, 4/1991, S. 34.

107 Verwiesen sei im vorliegenden Zusammenhang aus der Fülle an Literatur, die zu MTV und seinen Auswirkungen inzwischen vorgelegt wurde, nur auf: Ann E. Kaplan, Rocking Around the Clock. Music Television, London 1987, Lisa A. Lewis, Gender Politics and MTV. Voicing the Difference, Philadelphia 1990, John K. Hartman, MTV: Second Time Around, in: OneTwoThreeFour. A Rock'n'Roll Quarterly, 6/1988, S. 33ff, Maria Viera, The Institutionalization of Music Video, in: OneTwoThreeFour. A Rock'n'Roll Quarterly, 5/1987, S. 80ff; Andrew Goodwin, From Anarchy to Chromakey. Music, Media, Video, in: ebd., S. 16 ff.

108 Ausführlicher vgl. insbesondere Dave Rimmer, Like Punk Never Happened, Culture Club and the New Pop, London 1985; sowie Adolfo Marin, La nueva música. Del industrial al tecno-pop, (Teorema) Barcelona 1984.


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© 1997  Peter Wicke