Berufsstruktur im Tourismus

 

Mit dem Begriff „Berufsstruktur“ bezeichnen wir das Strukturbild von Berufen bzw. Tätigkeiten d. h. die Anteile und Arten einzelner unterscheidbarer Berufe an den im Bereich einer Volkswirtschaft insgesamt ausgeübten Berufen. Der ständige Wandel der Berufsstruktur ist ein steuerbarer und im Hinblick auf den arbeitenden Menschen in unserer Gesellschaft steuerungsbedürftiger Vorgang. Die Veränderung der Arbeitsplatz- und Berufsstruktur ist abhängig von drei Bedingungen und Prozessen: a) der technisch-organisatorischen Veränderung von Produktionsprozessen, denen die einzelnen Tätigkeiten zugeordnet sind b) der Veränderung der Ziele wirtschaftlicher Betätigung, also der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und c) der Veränderung bestimmter im weitesten Sinne „gesellschaftlicher“ Bedingungen, die für den Wandel der Tätigkeitsstruktur relevant sind (vgl. Altmann/Kammerer 1970, S. 7 ff).

 

Die Berufsstruktur gehört neben dem Alter, der Bildung, dem Einkommen bzw. Vermögen, der Haushaltsstruktur und dem Verhältnis von Arbeitszeit und Freizeit zu den Faktoren im Grenzbereich zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, dem sozioökonomischen Bereich. In der empirischen Forschung werden diese sozio-demografische Merkmale genannt. Sie kennzeichnen Individuen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Kategorien. Eine positive Korrelation ergibt sich beim Verhältnis der Berufsstruktur zur touristischen Mobilität: mit steigender beruflicher Stellung wächst auch die Reiseintensität. Da die berufliche Stellung stark mit der Bildung korreliert ist, mit wachsender Bildung aber die Reiseintensität ansteigt, muss diese auch mit der beruflichen Stellung anwachsen (vgl. Grümer 1993, S. 22 ff).

 

Weiters bestätigt die empirische Tourismusforschung Korrelationen zwischen dem Bildungsgrad einerseits und Reiseinteresse, Motiven, Art und Form des Reisens im Urlaub andererseits. Die Lern- bzw. Arbeitstätigkeit wirkt auf die Freizeitwerte-Struktur und auf deren Realisierungsbestreben durch die Persönlichkeit (vgl. Schmidt 1993, S. 296).

 

Für die Selbstverwirklichung bildet Freizeit, Tourismus, Kultur, Sport und ähnliches die Basis. Bis zum 1. Weltkrieg war der Tourismus allerdings für Arbeitnehmer und Unselbständig Beschäftigte aus wirtschaftlichen Gründen irrelevant. Ferien bzw. Urlaub blieben auf gesellschaftlich klar abgegrenzte Bevölkerungskreise des Adels, der Großgrundbesitzer und der Industriellen beschränkt. Die Voraussetzungen zum Tourismus wurden durch zunehmenden Wohlstand aller Bevölkerungsklassen sowie durch eine fortschrittliche Sozialgesetzgebung mit Recht auf Ferien bzw. Urlaub und Feriengeld nach und nach hergestellt. In einer Untersuchung der Reiseintensität in der Schweiz im Jahr 1992 sind freie Berufe, Unternehmer, Direktoren, leitende Angestellte und Beamte unter höchster Reiseintensität eingestuft während Landwirte, Arbeiter und Jugendliche in Ausbildung u. a. die niedrigste Reiseintensität verzeichnen. In Österreich erging bereits 1889 ein Erlass des Innenministeriums, der die Anlegung einer Fremdenverkehrsstatistik zum Gegenstand hatte. Daneben wurde eine Statistik der Kurorte geführt. Die rechtliche Regelung für die den Betrieben aus ihrer Mitwirkung an der Beibringung des Zahlenmaterials entstehenden Verpflichtungen und Belastungen sind im Bundesstatistikgesetz 1965 und in der Fremdenverkehrsstatistik-Verordnung 1973 enthalten (vgl. Kaspar 1991, S. 41 – 62).

 

Die (sozial-)wissenschaftliche Untersuchung des weltweit bedeutenden sozialen und ökonomischen Faktors „Tourismus“ ist insgesamt als minimal zu bezeichnen. In der Soziologie konnte sich eine gewisse Aufmerksamkeit für den Bereich Tourismus-Reisen in Zusammenhang mit der Freizeitsoziologie entwickeln. Die Tourismusforschung wird vielfach von privaten oder halbkommerziellen Forschungsinstituten getragen und orientiert sich an den Bedürfnissen der Touristikindustrie (vgl. Kagelmann 1993, S. 1 f).

 

In Österreich gibt es im März, Juni, September und Dezember Erhebungen des Mikrozensus für 1 % der österreichischen Wohnungen und Bewohner angeordnet durch die Verordnung BGBl. 334/1967. Sie bestehen aus dem durch diese Verordnung vorgeschriebenen gleich bleibendem „Grundprogramm“ das demografische und berufsstatistische Fragen enthält und wechselnde „Sonderprogramme“. Für das Grundprogramm besteht Auskunftspflicht, die Sonderprogramme beruhen auf freiwillige Auskunftserteilung (vgl. Zins 1996, S. 13 f). Auch hier hebt sich die Berufskategorie Selbständige, leitende Angestellte und Beamte durch signifikant höhere Reiseausgaben pro Kopf und Tag ab im Verhältnis zu den Ausgaben der anderen Berufsgruppen (Scheffé-Test).

Ein letztes Beispiel noch aus Deutschland:

 

 

Quelle: Opaschowski 1996: 154

 

 

Quellen:

Altmann/Kammerer (1970): Wandel der Berufsstruktur. RKW Schriftenreihe, München 1970.

Grümer, Karl- Wilhelm (1993): Gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Mobilität/Tourismus/Reisen. In: Hahn, Heinz und Hagelmann, Hans-Jürgen (Hg.): Tourismuspsychologie und Tourismussoziologie. Ein Handbuch zur Tourismuswissenschaft. München.

Kagelmann, H. Jürgen (Hg.) (1993): Tourismuswissenschaft. Soziologische, sozialpsychologische und sozialanthropologische Untersuchungen , München 1993.

Kaspar, Claude (1996): Die Tourismuslehre im Grundriss. St. Gallener Beiträge zum Tourismus und zur Verkehrswirtschaft: Reihe Tourismus 1,  Bern; Stuttgart; Wien 1996.

Opaschowski, Horst W. (1996): Tourismus eine systematische Einführung. Opladen: Leske + Buderich.

Schmidt, Harald (1993): Lebenswert „Reisen“. In: Hahn, Heinz und Hagelmann, Hans-Jürgen (Hg.): Tourismuspsychologie und Tourismussoziologie. Ein Handbuch zur Tourismuswissenschaft. München.

Zins, Andreas H. (1996): Reiseausgaben im österreichischen Tourismus. Schriftenreihe für empirische Tourismusforschung und Hospitality Management 9, Wien 1996.

 

Buchempfehlungen:

Freyer, Walter (1988): Tourismus. Einführung in die Fremdenverkehrsökonomie. München.

Frömbling, Simone (1993): Zielgruppenmarketing im Fremdenverkehr von Regionen. In: Schriften zu Marketing und Management 21, Frankfurt/Main 1993.

Knebel, Hans-Joachim (1960): Soziologische Strukturwandlungen im modernen Tourismus. Stuttgart.

Opaschowski, H. W. (1993): Freizeitökonomie: Marketing von Erlebniswelten. Opladen: Leske + Buderich.

 

Links:

Bundesministerium für Wirtschaft  und Arbeit www.bmwa.gv.at/BMWA/Downloads/Studien/Tourismus/

Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung www.wifo.ac.at/wifo/wissenschaft.html

WEB-Tourismus Forschung und Beratung

www.web-tourismus.de/studien-webtourismus2001-abbildungen.asp

Tourismusstudien www.studien.at

Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen www.fur.de

Institut für Tourismus- und Freizeitwirtschaft der WU Wien www.tourism.wu-wien.ac.at

Österreich Werbung www.austria.info