Zeitbewusstsein
Von Bettina Amon
Unter Zeitbewusstsein versteht man das subjektive Erleben der Gegenwart als einheitliche Periode von Vergangenheit und Zukunft. Es gründet sich auf drei Vergegenwärtigungen und zwar in Form von Erinnerungen, der Erfassung der gegenwärtigen Ereignisse und in Form von Vermutungen über die Zukunft. Es wird von Bewusstseinswachheit, Menge und Bewertung der Erlebnisinhalte beeinflusst. Abhängig von Interesse oder Langeweile wird Zeit als gerafft oder gedehnt wahrgenommen.
Der Zeitbegriff an sich ist eine charakteristische menschliche Vorstellung, die wahrscheinlich erst im Laufe der Evolution entstanden ist. Physikalisch gesehen wird Zeit im Zusammenhang mit Raum als dynamische Größe betrachtet. In der Biologie hat die Zeit in den zyklischen Abläufen von Tag und Nacht und der Wiederkehr der Jahreszeiten ihre Bedeutung. Sie ist ein periodisches Konstrukt. In der Historik ist Zeit ein Instrument zur Einordnung von Ereignissen, sie wird als linear betrachtet. Für die Soziologie ist Zeit ein rein gesellschaftlicher Begriff, der als Parameter für sozialwissenschaftliche Untersuchungen dienen kann.
Das Zeitbewusstsein des Menschen ist auf jeden Fall keine angeborene Fähigkeit, sondern wird im Laufe des Lebens erlernt. Diese Entwicklung verläuft in drei Stufen:
1.) Naives Zeiterleben
Das Kleinkind erfasst Zeit nur als das, was es gerade erlebt. Obwohl es zukünftigen Ereignissen sprachliche Begriffe zuordnen kann, haben diese für das Kind keine Bedeutung.
2.) Zeitwissen
Etwa im Schuleintrittsalter fängt das Kind an, mit zeitlichen Ordnungsbegriffen umzugehen und erlernt das Lesen der Uhr.
3.) Zeiterfahrung und –reflexion
Als Jugendlicher beginnt man schließlich über die eigene Zeitlichkeit, die philosophische Zeit und schließlich über die Zeitlichkeit des Lebens nachzudenken. Zeit ist nicht mehr nur ein ordinaler Begriff, sondern wird zur Erfahrung über sich selbst und das Universum.
Wenn diese Phase der intensiven Auseinandersetzung abgeschlossen ist, wird das Verhältnis des Menschen zur Zeit wieder ausgeglichener.
Das Zeitbewusstsein der Menschen ist auch in historischer Hinsicht großen Veränderungen unterworfen. In den meisten älteren (Hoch)Kulturen wurde Zeit über natürliche Zeitgeber beeinflusst. Im alten Ägypten z.B. gab es vier grundlegende Richtwerte zur Zeiterfassung. Dies waren der Lauf der Sonne, der den Tagesablauf regelte, der Mondzyklus, der rituelle und religiöse Feste beeinflusste, die Nilüberschwemmung, die den Neubeginn des landwirtschaftlichen Jahres bedeutete sowie das Auftauchen des Sirius, des hellsten Fixsterns am Himmel. Die Wiederkehr der Ereignisse und auch der Glaube an die Wiedergeburt weisen auf ein an der Natur orientiertes rhythmisches Zeiterlebnis hin.
Heute ist man nur noch sehr geringfügig auf äußere Einflüsse angewiesen. Unser Zeitbewusstsein ist, sicher beeinflusst durch das Christentum, aber auch durch den Glauben an ständigen wissenschaftlichen und technischen Fortschritt, ein lineares. Dennoch hat der zyklische Charakter des Lebens auch heute noch Bedeutung für viele Menschen. Das Bewusstsein über jährliche Feste und traditionelle Feiertage vermittelt ein Gefühl der Sicherheit und Ordnung.
Quellen:
Weblinks:
http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/volltexte/2005/5437/pdf/komplett.pdf
http://www.petita-und-titus.de/zeit.htm