Reisemotive

Prantl Andrea

 

Zuerst einmal möchte ich den Begriff Motivation näher darstellen, da Reisemotive ja auch davon abhängig sind, welche Motivation dahinter steht eine Reise anzutreten.

Der Begriff Motivation stammt vom lateinischen Verb „movere“ bewegen und dem dazugehörigen Substantiv „motio“ Bewegung. „Motivation hat insofern mit ‚Bewegung’ zu tun, als der Begriff sich auf Dinge bezieht, die uns etwas tun lassen oder uns in Bewegung versetzen. [...]. Ein Mangel an Motivation bedeutet dagegen, dass wir etwas nicht tun [...]“(RUDOLPH 2003, S. 1). Der Motivationsbegriff findet daher interdisziplinäre Verwendung (so auch in der Tourismusforschung), wenn es um die Frage danach geht, was Menschen zum Handeln antreibt. Dabei sind die Auswirkungen der Motivation deutlich zu erkennen (hier: Urlaubsreiseverhalten), die Faktoren jedoch, die das menschliche Verhalten und die Handlungen aktivieren und steuern (hier: Urlaubsreisewunsch) sind der unmittelbaren Beobachtung und Messung weitgehend entzogen und nur schwer zu analysieren. (Reeh 2005 S. 12)

 

Die Motivationsfaktoren beeinflussen nach BOHNER (1998) die Motivation hinsichtlich der folgenden drei Motivationsparameter:

• Antriebsstärke;

• selektierte Antriebsziele;

• Antriebspersistenz;

 

Besondere Aufmerksamkeit wird zumeist der Antriebsstärke gewidmet, denn von ihrer Ausprägung ist abhängig, welche Priorität der Handlungsausführung beigemessen wird. Ist die Antriebsstärke beispielsweise hoch, so ist auch die Wahrscheinlichkeit der Handlungsausführung hoch, da Handlungen, die von einer schwächeren Antriebsstärke geleitet sind, in ihrer Realisierung zurückgestellt werden. Die selektierten Antriebsziele der Motivation werden in aller Regel als Motive bezeichnet - also man wünscht sich, man möchte/will, sollte etwas Bestimmtes tun, haben usw. HECKHAUSEN (1980, S. 29) definiert „Motivation“ deshalb in Abgrenzung zum Begriff „Motiv“ auch als „[...] die Gesamtheit der Bedingungen, die zu einer Handlung führen, während Motive individuelle Besonderheiten darstellen, die Bestandteil der Motivation [Herv. Des Verf.] sind.“20 Die Antriebspersistenz schließlich meint die zeitliche Stabilität des Spannungszustandes, d.h. der Zustand des „Motiviertseins“ über die Zeit gesehen.

 

Die Motivationsforschung widmet sich der Analyse von Ursache-Wirkungszusammenhängen. Nachfolgende Abbildung  zeigt die einzelnen Ebenen des Motivationsprozesses im Überblick.

 

 

 

Überträgt man diese Grafik auf den Kontext dieser Arbeit, so bezeichnet die Urlaubsreisemotivation den Antrieb, eine Urlaubsreise unternehmen zu wollen (Wunsch nach einer Urlaubsreise), wobei der Antrieb durch die Parameter Stärke, Ziele und Persistenz gekennzeichnet ist. (Reeh 2005 S. 16ff.) Nach FREYER (2004, S. 198) ist die Urlaubsreisemotivation somit diejenige Komponente, die „dafür sorgt, daß es überhaupt zu Verhalten kommt, ohne dass genauere Aussagen erfolgen, welches Verhalten im einzelnen realisiert wird.“

 

Nun sehen wir uns die einzelnen Motive der Reisenden näher an, zuvor wird jedoch noch der Begriff Tourist geklärt.

Touristen sind zeitweilige Besucher eines Landes, die sich mindestens 24 Stunden im Zielland aufhalten und deren Reisemotiv sich folgender Klassifikation zuordnen lässt:

1.           Freizeit (Erholung, Urlaub, Gesundheit, Studium, Religion und Sport)

2.           Geschäft, Familie, Mission, Konferenz

 

Dauert der Aufenthalt weniger als 24 Stunden, so handelt es sich lediglich um einen Ausflug.

Wir verstehen im Folgenden unter einer „Reisedie zeitliche begrenzte Entfernung vom Wohnort zu geschäftlichen oder privaten Zwecken. Beim Reisenden besteht außerdem die Absicht, wieder an den Heimatort zurückzukehren.

Unter Reisemotiven verstehen wir die Gesamtheit der individuellen Beweggründe, die dem Reisen zugrunde liegen. Psychologisch gesehen handelt es sich um Bedürfnisse, Strebungen, Wünsche, Erwartungen, die Menschen veranlassen, eine Reise ins Auge zu fassen bzw. zu unternehmen. Wie andere Motive auch sind sie individuell verschieden strukturiert und von der sozio-kulturellen Umgebung beeinflusst. (Mörth, Steckenbauer, S. 1)

 

Es existieren vier Gruppen von Reisemotiven (nach Hartmann 1962)

I. Erholungs- und Ruhebedürfnis

1.       Ausruhen, Abschalten, Herabsetzung geistig-seelischer Spannung, Minderung des Konzentrationsgrades;

2.       Abwendung von Reizfülle, keine Hast und Hetze.

II. Bedürfnis nach Abwechslung und Ausgleich

3.       Tapetenwechsel, Veränderung gegenüber dem Gewohnten;

4.       Neue Anregungen bekommen, etwas Neues, ganz anderes erfahren und erleben als das Alltägliche, neue Eindrücke gewinnen;

5.       im Alltag nicht beanspruchte Fähigkeiten verwirklichen, sich selbst entfalten,  zu sich selbst kommen.

III. Befreiung von Bindungen

6.       Unabhängigkeit von sozialen Regelungen, tun, was man will, sich frei und ungezwungen bewegen, auf niemand Rücksicht nehmen;

7.       Befreiung von Pflichten, Ausbrechen aus den alltäglichen Ordnungen.

IV. Erlebnis- und Interessenfaktoren

8.       Erlebnisdrang, Neugierde, Sensationslust,

9.       Reiselust, Fernweh, Wanderlust,

10.   Interesse an fremden Ländern, Menschen und Kulturen,

11.   Kontaktneigung,

1.       Geltungsstreben, „oben sein“, sich bedienen lassen.

 

Interessant sind hierzu auch die nachfolgenden Tabellen mit den grundlegenden Reisemotiven der österreichischen Bevölkerung. (Mörth, Steckenbauer, S. 9)

 

Faktor

Bezeichnung

enthaltene Motive

1

Badeurlaub mit Begleitung

1.      Urlaub bedeutet für mich am Strand liegen, baden, sonnen und faulenzen.

2.      Urlaub verbringe ich gerne in einer Runde von Freunden und Bekannten.

2

Kennenlernen fremder Länder

3.      Meinen Urlaub verbringe ich nicht an einem Ort, sondern bereise eine Gegend, die mich interessiert und die ich mir dann anschaue.

4.      Es ist ein Traum von mir, einmal um die Welt zu reisen.

5.      In einem Urlaub versuche ich, mir in möglichst kurzer Zeit viel anzuschauen.

3

organisierte Bildungsreisen

6.      Ich nehme gerne an organisierten Busreisen teil.

7.      Ich mache gerne Bildungs-, Studien- und Kulturreisen.

 

 Stellenwert der Motivdimensionen (N = 4069 – 4102, Angaben in Prozent)

Motive

sehr wichtig

eher wichtig

unent-schieden

wenig wichtig

nicht

wichtig

Kennenlernen fremder Länder

9

28

33

23

7

Badeurlaub mit Begleitung

7

23

35

23

12

organisierte Bildungsreisen

4

9

20

31

36

 

Zusammenhang soziodemographischer Merkmale mit den Motivdimensionen

Merkmal

Badeurlaub

mit Begleitung

Kennenlernen fremder Länder

organisierte

Bildungsreisen

Alter

x

 

x

Geschlecht

x

 

 

Familienstand

x

x

x

Kinder im Haushalt

x

x

x

Haushaltsgröße

x

x

x

Lebensphase

x

x

x

Haushaltssituation

x

x

x

Stellung im Wirtschaftsprozeß

x

x

x

Berufsgruppe

x

 

x

Bildungsniveau

x

x

x

Einkommen

x

 

 

Kaufkraftklasse

x

x

x

Schicht

x

 

 

Bundesland

 

x

 

Gemeindegröße

 

x

 

Euro-social-style

x

x

x

Mentalität

x

x

x

 

Motivdimensionen nach Lebensphase (Reisemotiv wird als wichtig bezeichnet, in %)

Lebensphase

Badeurlaub

mit Begleitung

Kennenlernen fremder Länder

organisierte

Bildungsreisen

jung, ledig, in Ausbildung

59

36

4

jung, ledig, berufstätig

40

41

5

junge Ehepaare ohne Kinder

30

39

3

Familien mit Kleinkindern

33

29

4

Familien mit schulpfl. Kindern

24

34

9

ältere Berufstätige ohne Kinder

20

44

19

ältere Nicht-Berufst. ohne Kind

22

39

30

gesamt

30

37

13

 

 

Quellen:

FREYER, W. (2004): Tourismus-Marketing. Marktorientiertes Management im Mikround

Makrobereich der Tourismuswissenschaft. (4. Aufl.). München, Wien:

Oldenbourg.

 

HARTMANN, K. D. (1962): Gruppierung von Urlaubsbedürfnissen aufgrund der DIVO

(1962). Zit. nach einem unveröffentl. Manuskipt von Hartmann mit dem Titel „Zur

Ermittlung von Urlaubsmotiven und Urlaubserwartungen“. Starnberg: Studienkreis

für Tourismus e. V.

 

HECKHAUSEN, H. (1980): Motivation und Handeln. Lehrbuch der Motivationspsychologie.

Berlin: Springer.

 

Krippendorf, Jost; Zimmer, Peter; Glauber, Hans (1988): Für einen anderen Tourismus; fischer alternativ – Fischer Verlag;  S 40f.

 

RUDOLPH, U. (2003): Motivationspsychologie. (1. Aufl.). Weinheim: Beltz.

 

http://soziologie.soz.uni-linz.ac.at/sozthe/freitour/skriptum/Reisemotive.doc

(a.Univ.-Prof. Dr. Ingo Mörth, Mag. Christian Steckenbauer; (Urlaubs-)Reisemotive; letzter Zugriff am 14.06.2006)

 

http://webdoc.sub.gwdg.de/diss/2005/reeh/reeh.pdf (Tobias Reeh; Göttingen 2005; Der Wunsch nach Urlaubsreisen in Abhängigkeit von Lebenszufriedenheit und Sensation Seeking - Entwicklung und Anwendung eines Modells der Urlaubsreisemotivation; S.12-19; letzter Zugriff am 14.06.2006)

 

Weitere interessante Literatur:

Prof. Dr. Jörn W. Mundt (2001); Einführung in den Tourismus; München; Oldenbourg Verlag

 

Rotpart; Michael (1995): Vom Alternativurlaub zum Hybridtourismus; Linz; Universitätsverlag Rudolf Trauner

 

Prof. Dr. Konrad Buchwald; Professor Dr. Wolfgang Engelhardt (1998): Freizeit, Tourismus und Umwelt; Bonn; Ecconomica Verlag

 

Weitere Links:

http://www.lpb.bwue.de/aktuell/bis/3_02/fern.htm (Hans-Jürgen Teuteberg; Zeitschrift Mobilität; Heft 3/ 2002; letzter Zugriff am 14.06.2006)

http://www.heiligenlexikon.de/Glossar/Wallfahrt.htm (Ökumenisches Heiligenlexikon; letzter Zugriff am 14.06.2006)

http://de.wikipedia.org/wiki/Ballermann_6 (Wikipedia; letzter Zugriff am 14.06.2006)

http://de.wikipedia.org/wiki/Dienstreise (Wikipedia; letzter Zugriff am 14.06.2006)

http://de.wikipedia.org/wiki/Sprachreisen (Wikipedia; letzter Zugriff am 14.06.2006)

http://de.wikipedia.org/wiki/Wallfahrt (Wikipedia; letzter Zugriff am 14.06.2006)