Bildungsfunktion der Freizeit

Was ist Bildung?

Der moderne, ganzheitliche Bildungsbegriff steht für die lebensbegleitende Entwicklung der geistigen, kulturellen und lebenspraktischen Fähigkeiten des Menschen und der Erweiterung seiner persönlichen und sozialen Kompetenzen.

In unserem Alltagsdenken bringen wir Bildung meist mit Wissensvermittlung und Belehrung und daher mit Schule oder beruflicher Weiterbildung in Zusammenhang. Bereits nach Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835) aber ist Bildung die Anregung des Menschen zur Entfaltung seiner Individualität und Persönlichkeit. Und auch Hartmut von Hentig (geb. 1925) sieht Bildung als Entfaltung der Persönlichkeit und unterscheidet persönliche, politische und berufliche Bildung, deren übergeordnetes Ziel es ist, „Sachen zu klären und Menschen zu stärken“.

Freizeit als Lebensbereich

 

Nach der Begriffsbestimmung von Kelly stellt Freizeit (neben der Definition von Freizeit als freier Zeit und Freizeit als Summe von Aktivitäten) einen Lebensbereich mit spezifischen Funktionen und Strukturen dar, der der individuellen und sozialen Erfahrung und Sinnstiftung dient. Die Abgrenzung von Freizeit zu anderen Lebensbereichen und eine damit verbundene Funktionszuordnung sind aufgrund der engen Verflechtungen schwierig.

 

Entlang der 4 allgemeinen Charakteristika der Freizeit nach Dumazedier ergeben sich drei eigentliche „Funktionen“ der Freizeit:

 

- Erholung

- Abwechslung und Unterhaltung sowie

- persönliches Wachstum.

 

Kaplan ergänzt dies noch mir der Funktion „Dienstleistung für Andere“.

 

Freizeit ist Bildungszeit

 

Bildungszeiten verteilen sich über das ganze Leben in Schule, Beruf und Freizeit. Freizeit ist aber vorwiegend durch informelle, begleitende Bildung wie Sie oben beschrieben wurde gekennzeichnet. Sie bietet im Vergleich zu Schule oder Beruf wesentlich mehr und breiter gefächerte Bildungsanlässe, was das Freizeit-Lernen dem Schul- und Arbeits-Lernen überlegen macht.

 

Horst Opaschowski bezeichnet die Freizeit als einen bedeutsamen Ansatzpunkt für soziales und kulturelles Lernen im Sinne des lebenslangen Lernens. Eigen-schöpferische Fähigkeiten, die in der Arbeitswelt nicht mehr genügend zur Geltung kommen, bewirken eine wachsende Bedeutung freizeitbezogener, von Leistungsbeurteilung und –nachweis freier Bildung.

 

Davon unabhängig verändert sich das Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Freizeit aber im Verlauf jedes Lebens, was eine unterschiedliche Bedeutung der Bildungsfunktion der Freizeit im Lebenslauf bewirkt. Mindestens 2 Mal trifft es jeden: nach Abschluss der ersten Lebensphase, beim Übergang von der Jugend- zur Erwachsenenphase, löst das Arbeitslernen das Freizeitlernen ab. Und im dritten Lebensabschnitt, beim Eintritt in den Ruhestand, wird erneutes Freizeitlernen zentral.

 

Mehr Freizeit – mehr Bildung?

 

Mit zunehmenden Freizeitpotentialen bei allen Bevölkerungsgruppen kommt dem Ausbalancieren und der Vernetzung von Arbeitszeit und Freizeit besondere Bedeutung zu. Ein lebenslanges Freizeitlernen und die Entwicklung eines freizeitorientierten Lebensstils werden erforderlich.

 

Anhand der Freizeitausgaben, die großteils für außerhäusliche Aktivitäten getätigt werden, wird in der Freizeit ein starkes Interesse an der Welt – ein starker Lern- und Lehrbedarf- deutlich. Dies äußert sich jedoch vorwiegend in einem passiven, konsumptiven Freizeitverhalten wie z.B. Kinobesuch, Fernsehen und Lesen. Für einen freizeitorientierten Lebensstil wäre zu erlernen, dass die vorhandenen Freizeitmittel ein viel breiteres, auch aktives und an der Gesellschaft teilnehmendes Spektrum an Freizeitaktivitäten ermöglichen.

 

Die neue Bildungsherausforderung der Freizeit ist eine Orientierung der gesamtmenschlichen Zeitgestaltung an übergreifenden Zielen und die Weiterentwicklung menschlicher Vernunft und Kultur.

 

Noch nie hatten wir so viel Zeit und Möglichkeiten wie heute.

 

 

Quellen:

http://www.bildung.known-library.de/

Markus Lamprecht & Hanspeter Stamm: Die soziale Ordnung der Freizeit, Zürich 1994: Seismo, S. 127 – 154

Wolfgang Nahrstedt: Leben in freier Zeit. Grundlagen und Aufgaben der Freizeitpädagogik, Darmstadt 1990: Wiss. Buchges., S. 69 – 77.

 

Weiterführende Literatur:

Opaschowski, Horst W.: Pädagogik der freien Lebenszeit. Opladen 1996

Nahrstedt, Wolfgang/IFKA: Bildung und Freizeit. Bielefeld 1994

 

Nahrstedt, W./Fromme, J. u.a.: Bildung und Freizeit. Konzepte freizeitorientierter Weiterbildung. Bielefeld: IFKA – Institut für Freizeitwissenschaft und Kulturarbeit, 1994.

 

Fromme, J./Stehr, I./Nahrstedt, W. (Hrsg.): Freizeit bildet – bildet Freizeit? Theoretische Grundlagen für eine freizeitorientierte Weiterbildung. Bielefeld: IFKA – Institut für Freizeitwissenschaft und Kulturarbeit, 1991.

 

Links:

Institut für Freizeit- und Tourismusforschung: http://www.freizeitforschung.at/

Freizeitforschungsinstitut British American Tobacco: http://www.bat.de/

FU Berlin, Erziehungswissenschaftl. Zukunftsforschung: http://www.service-umweltbildung.de/

Zukunftsinstitut Kelkheim, D: http://www.zukunftsinstitut.de/

Institut für Freizeitwissenschaft und Kulturarbeit: http://www.ifka.de/

Forschungsprojekt: Aktivierung & Qualifizierung erlebnisorientierter Lernorte: http://www.aquilo-projekt.de/

Statistisches Bundesamt Deutschland: http://www.destatis.de/

Österr. Statistisches Zentralamt: http://www.statistik.at/